Der Verband der Münchener Kulturveranstalter e.V. (VDMK) wendet sich in einem offenen Brief an die Stadt München. Anlass ist ein geplantes Konzert der Band Rammstein: Zu Silvester auf der Theresienwiese, alljährlich Schauplatz des Oktoberfestes – und zum Jahreswechsel eigentlich seit über 20 Jahren Standort des Tollwood-Festivals. Doch der Münchner Stadtrat hat zugestimmt.
Update 16. August, 15.42: Inzwischen hat der Veranstalter von seinen Plänen Abstand genommen, das Konzert wird an Silvester nicht stattfinden.
Ein Geschäftsmann aus Österreich mischt derzeit die Münchner Veranstaltunsszene kräftig auf: Nicht so sehr mit den Darbietungen der von ihm initiierten Events selbst, eher aufgrund der Frage, warum die Stadt München ihm genehmigt hat, was den lokalen Münchener Veranstaltern seit jeher verwehrt blieb: Ein Event auf dem Gelände der Messe München zu veranstalten. Jetzt hat der Geschäftsmann aus Graz die altehrwürdige Theresienwiese ins Visier genommen und würde dort gerne an Silvester ein Konzert von Rammstein veranstalten.
Was den VDMK einigermaßen fassungslos macht, wie ein gestern veröffentlichtes Schreiben an die Stadt München verdeutlicht: Sei Jahren sei der VDMK in einem stetigen konstruktiven Austausch mit den Fraktionen, den zuständigen Referaten und mit den Ordnungs- und Sicherheitsorganen der Stadt. Zu vielen Sachthemen der Veranstaltungsbranche habe es stets gute, verantwortliche und wertschätzende Diskussionen und vielfältige Lösungen gegeben. Ein Thema war dabei stets das knappe Platz- und Raumangebot in der Stadt, Theresienwiese oder das Messegelände München standen aber nie wirklich zur Debatte, wie es in dem Schreiben des VDMK heißt:
„Dem Verband wurde von Seiten des Wirtschaftsreferenten eindringlich vermittelt, Großkonzerte sollen auch
weiterhin nur im Olympiastadion stattfinden. Die Olympiapark München GmbH als städtische Tochter sei
stets die erste Wahl. Von Anfragen zur Nutzung der Theresienwiese wurde wegen zu erwartenden Beschwerden durch
anwohnende Bürger*innen und die ablehnende Haltung der zuständigen Bezirksausschüsse abgeraten.“
Das Wirtschaftsreferat schweigt
Zur großen Überraschung des Verbandes wurden dann im Sommer 2021 die Pläne zu drei Großkonzerten im Jahr
2022 auf der Messe über die Presse bekannt. Es gab laut VDMK auch Hinweise, dass weitere Konzerte in den Folgejahren auf der Messe geplant seien. Als Veranstalter wurde dabei die „Leutgeb Entertainment Group“ genannt, die zuvor nicht in München in Erscheinung getreten war.
Der Verband hat daraufhin am 11. Oktober 2021 das Wirtschaftsreferat angeschrieben, einen Gesprächstermin angefragt und das Referat gebeten die zukünftigen Prozesse und Kriterien zur Vergabe von Veranstaltungsflächen für Großkonzerte ab 50.000 Gästen auf dem Messegelände München bekannt zu geben. Auf diese Anfrage hat der Verband bis heute keine Antwort erhalten.
Und jetzt also die Theresienwiese: Damit zielt der Veranstalter mitten ins Herz von München, eine Duftmarke soll an jenem Ort hinterlassen werden, den die Menschen auf der ganzen Welt mit München, Bayern, Deutschland verbinden: Der Schauplatz des Oktoberfests.
Wieder werden dem Geschäftsmann aus Graz Privilegien eingeräumt, die den Örtlichen bisher vorenthalten blieben. Der zuständige Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) bleibt nach eigener Aussage völlig gelassen. Dabei ist es schon bemerkenswert, welche Nachteile die örtlichen Veranstalter durch diese Einmischung von außen in Kauf nehmen müssen: Die Vorbereitungen für vier Konzerte von Rammstein im Olympiastadion im Juni befinden sich in der Abschlussphase – da wäre ein Konzert für 150.000 Menschen ein knappes halbes Jahr vorher sicherlich nicht förderlich für den Ticketabsatz. Wobei man mit diesen Superlativen auch vorsichtig sein sollte: Beim aktuellen Mega-Event mit Gabalier, Fischer und Williams war auch stets von 150.000 Personen die Rede, die offizielle Zahl beim der ersten der drei Veranstaltungen am 6. August 2022 wurde schlußendlich mit 83.000 beziffert.
Und auch die geplante Silvester-Gala des Tollwood-Festival wäre aller Wahrscheinlichkeit nach hinfällig, wenn dort ein Rammstein-Konzert dieses Ausmaßes stattfände. Dabei ist das Tollwood-Festival seit über 20 Jahren zur Weihnachszeit auf der Theresienwiese aktiv und ein nicht mehr wegzudenkender Teil der kulturellen Ausstattung Münchens.
Die Loveparade ist lange her
Und nicht zuletzt sorgen die Mitglieder des Münchener Stadtrats für Stirnrunzeln, die dem geplanten Mega-Event im Herzen Münchens zugestimmt haben, trotz massiver Sicherheitsbedenken von Polizei und Kreisverwaltungsreferat. Eine solche Veranstaltung mit „herausragenden sicherheitskritischen Faktoren“ berge erhebliche Risiken bis hin zu Gefahren für die Gesundheit von Bürgern und Konzertbesuchern, schreibt die Polizei.
In diesem Punkt hat sich der Grazer Geschäftsmann Klaus Leutgeb bei den aktuell laufenden Mega-Events nicht mit Ruhm bekleckert: Laut Süddeutscher Zeitung ist es dem Veranstalter hier „trotz längerer Vorlaufzeit und intensiver Unterstützung der Sicherheitsbehörden bis zuletzt nicht gelungen, dafür ein „zufriedenstellendes Sicherheitskonzept vorzulegen“, wird das KVR zitiert. Die Polizei bescheinigt ihm gar „erhebliche Defizite“, die sich bei einem Großkonzert an einem ihm nicht vertrauten Ort noch potenzieren könnten.“