Lewe Redlin auf Tour mit Superstar Sarah Brightman – volles Programm mit Band, Chor und Orchester. Wie seine Arbeit als Monitor-Engineer aussah und was er erlebt hat beschreibt er in seinem Tour-Tagebuch, das mothergrid exklusiv präsentiert:
Ruhe vor dem Sturm: Preppping in London # 3.10. – 6.10. 2022
Während in Deutschland die Geschäfte geschlossen bleiben, fliege ich nach London. Angesetzt ist der Prep für die kommende Weihnachtstour mit Sarah Brightman sowie eine kurze Residency in Las Vegas.
Unter Residency versteht man eine Konzertreihe in einem Venue, in Las Vegas üblicherweise in einem Casino. Davon gibt es in Las Vegas ja einige, weshalb es auch eine Art Roadie-Hotel gibt, in dem auch wir untergebracht sein werden, aber dazu später mehr. Erst einmal gilt es in London, die Audio-Technik vorzubereiten.
Stacks & Racks
Bei dieser Tour lautet das Motto für uns „Stacks & Racks“: wir bringen Pulte, Mikros, Monitoring, Kabel und Stative mit. Die PA wird jeweils örtlich gestellt. Da unser FoH-Mann Hermann leider keine Zeit an den entsprechenden Daten hat, fliege ich allein nach London. Bei Solotech erwartet mich schon unser Stagetech Luca. Er und die In-House Techs haben bereits die Pulte aufgebaut, Luca schraubt gerade die letzten Geräte in mein Rack.
In den nächsten Tagen testen wir alle Verbindungen, sortieren Mikrofone, beschriften alles und machen einen ausgiebigen Linecheck.
Das Setup
- 2 x DiGiCo Quantum 338 (FoH und Monitor)
- 1 x DiGiCo SD Rack
- 1 X DiGiCo SD MiniRack
- 1 x DiGiCo Orange Box
- 8 Kanäle Shure Axient Digital inklusive Showlink
- 12 Kanäle Shure PSM 1000 mit 16 P10R+
- 4 Kanäle Sennheiser SR 2050 mit 40 Empfängern für Chor und Orchester
- 2 x Bricasti Design M7 am FoH
- 2 x L-Acoustics Arcs II, angetrieben von einem LA-12X
- 1 x LaC Labs LiLac zur Mikrofondesinfektion
- 1 x Klang DMI-Card.
Als Gesangsmikrofone kommen bei uns Produkte von Shure zum Einsatz, zum Teil drahtlos als AD2X mit KSM9-Kapsel, zum Teil kabelgebundene Beta 58. An den Instrumenten der Band ist es ein klassisches Sammelsurium verschiedener hochwertiger Mikrofone, bei Orchester und Chor kommen hauptsächlich Mikrofone von DPA und einige von Neumann zum Einsatz.
Die Verbindung aller DiGiCo-Komponenten läuft über einen Optocore-Ring, tatsächlich ist dies mit Abstand die komfortabelste Variante, die mir bisher untergekommen ist wenn es darum geht, viele Signale hin- und her zu schicken. Gain-Master bin ich, am FoH ist Gaintracking eingeschaltet.
Am 3. Tag packen wir alles zusammen, beschriften die Cases, gehen die Listen noch ein weiteres Mal durch, um absolut sicher zu sein, dass wirklich nichts fehlt, da ich am nächsten Tag zurück nach Hamburg fliege und das Material sich auf den Weg nach Las Vegas macht.
Viva Las Vegas # 9.10.-15.10. 2022
Am 9.10. geht es für uns nach Las Vegas. Über Frankfurt, wo ich Hermann und Felix, die beiden anderen Deutschen in der Crew treffe, nach Denver und schließlich nach Las Vegas.
Die Einreise ist dank Arbeitsvisa erfahrungsgemäß entspannt, auch diesmal geht es zügig und unkompliziert. Für mich etwas ungewohnt wird es in Denver, wo mich ein deutscher Techniker anspricht, der mich erkannt hat.
Woher er mich kennt, können wir nicht herausfinden, aber ich stelle für mich fest: ein Leben wie das meiner Kunden, denen das dauernd passiert, wäre nichts für mich.
In Las Vegas angekommen checken wir ein ins Platinum Hotel, das so eine Art Zentrum des Roadie-Universums darstellen muss. Dank großer Zimmer mit Küche und Waschmaschinen werden hier anscheinend alle Crews aller längeren Shows in der Stadt einquartiert. Zeitgleich mit uns wohnen dort die Crew von Adele, Van Morrisson und John Legend. Täglich halten Nightliner vor der Tür und sammeln Crews ein oder setzen sie ab. Wer jetzt aber glaubt, dort auch berühmte Künstler treffen zu können, den muss ich enttäuschen: man trifft dort lediglich die Crews an.
Unsere Shows finden im Venetian Casino statt. Das bedeutet wir liegen mitten am Strip, mit hunderten anderen Venues in unmittelbarer Umgebung. Das birgt gerade für das Wireless Setup besondere Tücken, da je nach Tageszeit und Wochentag komplett andere Frequenzen stören können. Und auch ich musste lernen: was tagsüber funktioniert, funktioniert nicht zwangsläufig nach 20 Uhr, wenn gefühlt die ganze Nachbarschaft die Funkmikros anschaltet.
Ansonsten hat so eine Residency durchaus seine Vorteile: man lässt nach der Show alles stehen und geht ins Hotel. Das kann durchaus mal ganz angenehm sein, nicht nach jeder Show nen schnellen Load out machen zu müssen. Zudem hat man dadurch tagsüber Zeit, sich auch mal die Stadt anzuschauen, in der man sich befindet. Was allerdings bei Las Vegas, man möge es mir verzeihen, echt weniger spannend ist, als man es sich vorstellt. Am Ende besteht ein Großteil dieser Stadt dann doch nur aus diesem Vergnügungspark, der mich persönlich eher abschreckt.
Nach 3 erfolgreichen Shows bauen wir dann schließlich doch ab. Wir verabschieden uns von unseren amerikanischen Techs, gehen noch ein Abschlussgetränk zu uns nehmen und ich gewinne tatsächlich vier Dollar an einem Spielautomat, die ich erfolgreich in Kekse investiere. Am nächsten Morgen geht es dann von Las Vegas nach Guadalajara in Mexiko.
Auf nach México 16.-23.10.2022
Guadalajara ist vielleicht einigen aus der Netflix-Serie “Narcos Mexico” ein Begriff. Für mich ist es das zweite mal hier, und ich mag die Stadt sehr. Deswegen freue ich mich, dass wir sowohl einen Reisetag als auch einen richtigen Day Off hier haben, so dass das Audio Team einen Ausflug in die Stadt machen kann.
Ich muss ganz ehrlich sagen: ich liebe es, wenn in Deutschland Herbst oder Winter ist, in warmen Ländern zu arbeiten. Auch wenn man häufig kaum mehr als Flughafen, Venue und Hotel sieht, so ist es doch einfach schön, das Ganze im T-Shirt statt in Winterjacke zu erleben.
Great Ball Of Gaffa
In Guadalajara gibt es im Auditorio Telmex, in dem wir auch dieses mal wieder spielen, zudem eine weitere Besonderheit: Die lokalen Techniker sammeln alle Gaffa-Reste in einem mittlerweile riesigen Ball. Ich weiß nicht genau, wie lange er schon existiert, aber 2019, als ich das letzte mal hier war, gab es den auch schon.
Am nächsten Tag geht es nach Monterrey in die dortige Arena. Da es sich um eine Back-to-Back-Show ohne Reisetag dazwischen handelt, fällt die Nacht entsprechend kurz aus.
Gegen ein Uhr nachts kommen wir ins Hotel, Um Punkt sechs Uhr morgens geht unser Shuttle zum Flughafen. Ich komme, glaube ich, auf etwa vier Stunden Schlaf. Zum Glück ist das nicht der Dauerzustand. Aber die Termine in Mexiko sind doch alle nicht sehr förderlich für den Schlaf.
Um ca 10:30 kommen wir in der Arena Monterrey an, wo uns zum Glück ein gutes Frühstück, leider aber kein Equipment erwartet. Zumindest nicht das, was zu uns als Produktion gehört. Also heißt es warten. Darin sind wir ja schließlich alle geübt. Angeblich hat Keith Richards mal auf die Frage, wie es sich anfühle seit 50 Jahren in einer Band zu spielen, geantwortet: „Eigentlich waren es nur 20 Jahre, die restlichen 30 Jahre haben wir gewartet.“
Ob das nun ein Mythos ist oder nicht: warten gehört in der Branche nun mal dazu. Allerdings warten wir bis ca 15:00 Uhr auf unser Material. Das führt dazu, dass wir drastisch den Soundcheck kürzen müssen (bei ca 60 Beteiligten auf der Bühne kommt da einiges zusammen) und der Einlass geschoben werden muss. Aber am Ende spielen wir, wie eigentlich immer, eine Show und das Publikum liebt es.
Nach der Show geht es ins Hotel und ich falle einfach nur ins Bett und bin sofort weg. Der nächste Tag ist zum Glück nur ein Reisetag nach Puebla. Ich muss gestehen: bis auf Schlafen habe ich an diesem Tag nach Ankunft im Hotel nichts getan.
Die Show in Puebla, einem Ort etwa eine Stunde von Mexico City entfernt und sogar noch höher gelegen, findet in einem Theater statt, dass schon beim letzten Mal damit geglänzt hat, keinen anderen Kaffee außer Instant-Kaffee bereitzustellen. Ich weiß, man soll nicht so viel meckern, aber auch dieses mal fällt der gesamte Bereich „Catering“ eher negativ auf. Kleine Kieselsteine im Essen, an denen sich ein Kollege fast einen Zahn abbricht, helfen da auch nicht. Aber im Endeffekt wissen wir alle: Übermorgen geht es heim. Also Zähne zusammenbeißen und durch.
Nach der Show werden wir direkt nach México City ins Hotel geshuttelt, das macht die Nacht zwar kurz. Ist aber definitiv die bessere Wahl, als das morgens zu versuchen. Nun also die letzte Show dieser Rutsche in Mexico City. Ich kenne die Arena CDMX bereits von einer vorherigen Tour und bin immer wieder beeindruckt, wie viele Menschen hier rein passen. Die Bühne ist zudem relativ hoch, aber wie mein Kollege Luca hier demonstriert, kann man gerade noch so rüber gucken.
Ich erinnere mich noch gut an die Funkprobleme, die ich beim letzten Mal hier hatte, aber dieses Mal bin ich anscheinend besser vorbereitet und alles spielt problemfrei. Das ist allerdings in einer solchen Stadt leider überhaupt nicht selbstverständlich. Aber alles funktioniert tadellos, und nach dem Abbau schaffen wir es sogar endlich noch mit fast der gesamten Crew einen Drink zu nehmen. Ein Glück geht unser Flug nach Deutschland erst am Abend des nächsten Tages, so dass wir entspannt ausschlafen können.
Im zweiten Teil geht es dann nach Japan, Südkorea, Singapur, Manila und Taiwan. Fortsetzung folgt, mit mehr Details zur verwendeten Technik! Am besten den Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben!
Lewe Redlin
Monitor Engineer aus Hamburg, geboren 1978.
Seit 2001 in der Branche, Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltung.
Seitdem hauptsächlich im Touring tätig, unter anderem schon für Bushido, Jan Josef Liefers, Trailerpark, Sarah Brightman, Gregorian.