Es gehört nicht für viele zum Alltagsgeschäft, stellt aber einen eigenen Markt innerhalb der Beschallungstechnik dar – die Rede ist von Kinobeschallung. Wir hatten die Gelegenheit, mit Carsten Albrecht von Alcons Audio ein Interview zu diesem Thema zu führen. Alcons Audio ist im Kinosegment sehr breit aufgestellt. Das Unternehmen ist seit vielen Jahren einer der Top-Player dieser in der professionellen Beschallungsbranche nach wie vor etwas unterrepräsentierten Sparte.
Grundsätzliche Anforderungen an die Beschallungstechnik
mothergrid: Carsten, welche Erfahrungswerte gibt es für die Front-Lautsprecher inklusive dem Center?
Carsten Albrecht: Vielleicht sollte man zunächst etwas zurück in die Historie schauen. Mit der Erfindung des Tonfilms in den 1920er Jahren schlug die Geburtsstunde der elektrischen akustischen Verstärkung (PA = Public Adress) im Kino. Seit dieser Zeit wünscht man ein Höchstmaß an Sprachverständlichkeit. Die Anforderungen an ein Kinolautsprechersystem sind in mehr als hundert Jahren stetig gewachsen. Mit der Digitalisierung im Bild- und Tonbereich fordern moderne Audiomischungen eine präzise, unkomprimierte Wiedergabe mit einem hohem Dynamikumfang. Mittlerweile werden für den Audio-Effektbereich der Tonmischung sehr hohe Budgets bereit gestellt , um das visuelle Erlebnis zu perfektionieren.
Die Frontlausprecher oder Leinwandlautsprecher in einem Kino werden für L/C/R immer vom gleichen Typ (matched) gewählt und zwingend full-range betrieben. Unterschiedliche Lautsprechertypen in Leistung und Abstahlverhalten ergeben sich durch Raumparameter und Sitzplatzanzahl der jeweiligen Anwendung. Alcons Audio hat ein breit aufgestelltes Portfolio an Pro-Ribbon-Kinolautsprechern, um beispielsweise mit einem Alcons CR1 einen kleinem Saal ( 40-100 Pax) oder mit einem CRA Cinema Array weit über 1.000 Sitzplätze abzudecken. Darüber hinaus wächst die Anzahl der Postproduktions-Studios , welche mit Alcons Audio CRMS (Cinema Reference Monitor System) arbeiten.
mothergrid: Und wie sieht es mit dem Bassbereich für die Beschallung aus?
Carsten Albrecht: Hier kommen in erster Linie Bass-Reflex-Subwoofer mit einer sehr tiefgehenden unteren Grenzfrequenz zum Einsatz, bei Alcons: 27Hz -3dB / 19Hz -10dB.
Ebenso spielt der Formfaktor eine nicht unwichtige Rolle , da gerade in traditionellen oder auch kleineren Häusern zwar die moderne Performance gefragt ist, allerdings oft kein ausreichender Platz in der Tiefe hinter der Leinwand zur Verfügung steht. Hier bietet Alcons Audio Bässe mit der Bezeichnung „sl“ ( slim ) mit einer Gehäusetiefe von nur 27,5 cm an.
mothergrid: Und dann spielen natürlich auch noch die Surround-Speaker eine wichtige Rolle für das Klangerlebnis…
Carsten Albrecht: Bei den Surround-Lautsprechern wird in erster Linie das Audio-Surroundformat wie beispielsweise 5.1 , 7.1. Auro3D oder Dolby Atmos bestimmt, daraus resultierend werden die Lautsprecherkanäle in Abhängigkeit der Saalgröße festgelegt.
Auch die Lautsprechergröße steht in Abhängigkeit zur Saalgröße. Hier werden vom 6,5 mit 2“ Pro-Ribbon bis hin zu 12“ mit 6“ Pro-Ribbon vom Post Production Studio bis hin zu großen Venues, wie der Berlinale Palast oder das Cinemaxx in Mannheim eingesetzt.
mothergrid: Und wie werden die Systeme dann „befeuert“?
Carsten Albrecht: Das übergeordnete Processing ist zunächst extern und wird beispielsweise in Form eines Dolby Atmos Prozessors zur Verfügung gestellt. Diese Geräte wandeln die unterscheidlichen Filmtonformate um und weisen es den einzelnen Verstärkerkanälen zu. Ebenso wird in diesen Prozessoren die Raumentzerrung und der Pegel festgelegt.
Alle unsere Verstärker können digital mit AES und bis zu 192 kHz Samplingrate angesteuert werden. Bei den Sentinel-Controller-Verstärkern von Alcons wird für alle Lautsprecher ein passendes Preset inklusive Leistungs- Auslenkungsschutz und VHIR Prozessing verwendet , um allen Anforderungen des digitalen, unkomprimierten Audiosignal gerecht zu werden.
mothergrid: Von welchen Pegeln in welchen Frequenzbändern sprechen wir denn bei Kinobeschallung?
Carsten Albrecht: Standardmäßig wird im Saal auf 85dB/C eingepegelt . Für den Frequenzgang gibt es ein genormtes Verfahren der Industrie (ISO 2969 Kinematografie – Elektro-akustischer Frequenzgang), diese wird von dolby als X-Curve beziffert und beschreibt den Bereich von 25Hz – 10kHz. Da das Verfahren mittlerweile 50 Jahre alt ist, dient diese als Basis um Standards der Tonmischung in der Wiedergabe zu erfüllen. Sie wird natürlich auf die Produkte unserer Zeit klanglich angepasst.
Anforderungen an die Raumakustik
mothergrid: Welche Anforderungen werden an den Raum gestellt?
Carsten Albrecht: Das ist für uns als Hersteller schwierig zu beschreiben, da dort Raum- und Bauakustiker tätig werden. In den modernen Räumen ist die Nachhallzeit sehr gering und es gibt keine schallharten Flächen oder nennenswerte Reflexionen an den Wänden oder der Raumdecke.
mothergrid: Gibt es bei der Montage der Speaker etwas spezielles zu beachten?
Carsten Albrecht: Auch eine Frage, die man eher an einen Kinointegrator richten sollte, da dies auch stark von der Raumakustik abhängig ist und wie viele Säle sich in einem Gebäude befinden und sich gegenseitig beeinflussen könnten.
In sehr vielen Projekten werden die Frontsystem entweder in eine akustische Baffle (Schallwand) eingesetzt, oder hinter der Leinwand geflogen. Letzteres gilt auch für die Bässe, um den Bass vom Gebäude zu entkoppeln.
Planung von Kino-Systemen
mothergrid: Werden Kinosäle bzw. die Soundsysteme (ähnlich wie z.B. Linearrays) simuliert oder ist das quasi per Norm und baulich geregelt?
Carsten Albrecht: Es gibt in der Szene eigens Cinema-Planer, die sich mit den unterschiedlichen Gewerken beschäftigen. Wir unterstützen beratend und simulieren auch, etwa im Bereich der Alcons Cinema Arrays.
mothergrid: Gibt es spezielle Erfordernisse bei der Verkabelung und der sonstigen Infrastruktur?
Carsten Albrecht: In der Tat. Von Neuplanungen abgesehen, befinden sich bei Umbauten und Erneuerungen in sehr vielen Fällen die Verstärker im Vorführraum und nicht in der Nähe der Lautsprecher. Oft sind Kabel von bis zu 100 Metern Länge nicht unüblich. Querschnitte spielen bei den Leitungen eine besondere Rolle , aber noch viel entscheidender ist der Dämpfungsfaktor welcher als Verlust auf langen Leitungswegen für eine unpräzise Ansprache der Lautsprecher sorgt.
Gerade bei tieffrequentem Kontent , wie Subbass oder Explosionen ist es wichtig eine schnelle Ansprache der Woofer zu realisieren. Wir setzen bei unseren Sentinel Verstärkern auf eine eigens dafür entwickelte Schaltung mit der Bezeichnung „SIS“ Signal integrated System. Hier wird mit einem zusätzlichen Leitungspaar (Sense-Leitung) der Impedanzeffekt zwischen Verstärkerausgang und Anschlussklemme am Lautsprecher kompensiert, um somit auf langen Leitungswegen einen sehr hohen Dämpfungsfaktor (> 10.000) und eine straffe Wiedergabe zu gewährleisten.
mothergrid: Kommen auch Audio-Netzwerke zum Einsatz?
Carsten Albrecht: Ja, je nach Größe und Komplexität sind QSC Qsys oder SoundWeb im Einsatz, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Inbetriebnahme
mothergrid: Wie werden die Systeme vor Ort eingemessen?
Carsten Albrecht: Alle Systeme werden durch einen Dolby-zertifizierten Messingenieur eingemessen. Mir ist bekannt, das mit Smaart gemessen wird, da in dieser Software auch der Standard X-Curve hinterlegt ist. Wie auch bei anderen Messungen üblich, wird hier ebenfalls an unterschiedlichen Messpunkten gemessen.
mothergrid: Sind besondere Tests oder Messungen nötig, um Zertifizierungsstandards zu erfüllen?
Carsten Albrecht: Ja, Dolby Atmos Projekte müssen beispielsweise von der Planung der Lautsprecherpostionen bis hin zur Messung alle von Dolby bzw. durch ihre Ingenieure geprüft werden. Alle relevanten Kritieren müssen erfüllt sein, um das System in Betrieb nehmen zu können.
Zuspielung
mothergrid: Welche Audio-Formate kommen zum Einsatz?
Carsten Albrecht: Heute werden digitale, PCM basierende Audioformate in Form von 5.1 (L/C/R, Surround L , Sourround R, LFE) bis hin zu 64 Kanälen Dolby Atmos verwendet.
mothergrid: Sonderfall Outdoor-Kino – was gilt es zu beachten?
Carsten Albrecht: Hier lässt sich nahezu alles oben genannte erwähnen, je nach machbaren Aufwand und Budget. Prinzipiell gilt es auch hier, den Industrie-Filmton-Standard zu übertragen.
Home-Cinema
mothergrid: Lassen sich all diese Aspekte deiner Erfahrung nach auch auf das Heimkino übertragen?
Carsten Albrecht: Ich würde sagen: Ja. Der Residential-Bereich ist in den letzten Jahren massiv gewachsen und fordert nach immer mehr Dynamik und Pegel, wie er typischerweise in einen professionellen Kino benutzt wird. Das Ziel ist ein noch stärkeres, immersives Erlebnis zu erhalten. Wir kennen uns schon einige Jahre in diesem Markt aus und haben mit der CRMS-Serie (Cinema Reference Monitor Systems) aus unserem Studiobereich dort eine große Fangemeinde gewinnen dürfen.
Ich glaube, dass gerade im Home Cinema, bei dem das Thema SPL und Dynamik einer große Rolle spielt, unsere Produkte der entscheidende Schlüssel sein können.
Es gibt zwar sehr gut klingende HiFi bzw. High-End-Lautsprecher, aber diese kommen zu schnell an ihre Grenzen. Unsere Kunden erwarten, das man z. B. ein Konzert von Metallica mit einem echten Konzert-SPL auf HiFi-Niveau erleben kann. Genau eine der Eigenschaften, die durch unsere Pro-Ribbon Technologie umsetzbar ist.
Hier arbeiten wir ebenfalls mit den gleichen Komponenten aus dem Cinema oder PA-Bereich, allerdings typisch aus dem Studiobereich kommend mit kleinerem Formfaktor und im Sichtbereich mit Frontabdeckungen etc.
mothergrid: Vielen Dank für deine Ausführungen, Carsten.
Alle Informationen zu den Kinosystemen von Alcons Audio erhalet ihr unter: www.alconsaudio.com
Carsten Albrecht, unser Interview-Partner, kümmert sich bei der Alcons Audio GmbH sowohl um den Bereich Sales, als auch um den Technical Support.
