Grundideen zu einer gesunden Gain Struktur

Die richtige Gain-Struktur ist beim Audio-Mischen von entscheidender Bedeutung. Sie beeinflusst die Klangqualität und Vermeidung von Verzerrungen. Indem man sorgfältig die Pegel von Eingangsquellen, Effekten und Ausgängen einstellt, entsteht ein ausgewogenes Klangbild. Dies ist besonders wichtig, um Rauschen zu minimieren und Dynamik zu erhalten. Eine angemessene Gain-Struktur verbessert die Audioqualität und erleichtert das Hervorbringen klarer Instrumente und Stimmen. Eine gelungene Gain-Struktur schafft eine solide Basis für einen professionellen, ausdrucksstarken Mix.

Wir sind ja alles tolle Hechte die ständig immer und überall alles im Griff haben… Oder auch nicht? Zumindest als Anfänger:in aller Wahrscheinlichkeit nach nicht immer. Nachdem eine gesunde Gain-Struktur, wie in der Einleitung geschrieben, aber schon ein gerüttelt Maß an Einfluss auf den Sound eines Mixes hat, wollen wir uns ein paar Aspekte zu diesem Thema anschauen…

PAFL
Die Solo-Funktion dient zur Kontrolle des Ein- bzw. Ausgangssignals.

PFL, AFL oder PAFL – Hören ist gut, Kontrolle ist besser

Alle Mischpulte bieten die Funktionalität einer Solo-Schaltung. Diese hilft uns den Eingangs- bzw. den Ausgangspegel unserer Signale sichtbar zu machen. In den Eingangskanälen wird in der Regel eine PFL-Funktion (Pre Fader Listening) geschaltet, in den Ausgängen eine AFL-Funktion (After Fader Listening). Die Kombination aus beiden Solo-Schaltungen, die häufig in digitalen Mischpulten anzutreffen ist, nennt sich dann eben PAFL.

Neben der optischen Anzeige wird das Signal zur akustischen Kontrolle auf den Kopfhörer-Ausgang gelegt und kann dort abgehört werden. Bei vielen (aber nicht allen) digitalen Pulten liegt der optimale, technische Pegel bei -18 dBFS. Ganz einfach ausgedrückt – pegelt eure Signale bis zur letzten grünen LED – dann seid ihr auf der sicheren Seite. Warum vertrete ich die Meinung bis zur letzten grünen LED? Diese Aussage kann durchaus kontrovers betrachtet werden, denn es gibt in Wirklichkeit keine Normierung dafür, wieviel Headroom bereitzustellen ist. Einerseits könnte man nun sagen, „das sind ja 18 dB verschenkte Dynamik“ aber gerade im Live-Bereich kommt es schnell zu Pegelsprüngen (z. B. Adrenalin des Drummers beim Konzert vs. dem Soundcheck.“ Und so ist es ratsam, sich „Platz nach oben hin“ zu lassen…

Noisefloor vs. Headroom

Input Gain A&H GLD
Mit dem Inputgain wird das Signal auf einen vernünftigen Arbeitspegel gebracht.

Beim einpegeln des Mikrofon oder Line-Signals in den Inputs eures Pultes gilt es folgendes im Hinterkopf zu haben: Hier wird das Signal mittels des Gain-Reglers „nur“ technisch so aufbereitet, dass das Pult damit optimal umgehen kann. Dieser technische Pegel hat nichts mit der Lautstärke im Mix zu tun. Mit einem gesetzten Pegel, bleiben wir beim Beispiel mit -18 dBFS, erreicht ihr Folgendes: Ihr seid zum einen weit genug vom Grundrauschen weg, habt aber nach oben hin noch genügend Luft für Pegelspitzen (Headroom).

Auch wenn das Thema Grundrauschen bei heutigen, digitalen Pulten aufgrund der hohen bereitstehenden Dynamik eine weniger drastische Bedeutung als noch zu Analogzeiten hat, hilft es doch immens, das Nutzsignal artefaktfrei bearbeiten zu können. Der Headroom hingegen ist gerade bei digitalen Mischsystemen extrem wichtig. Konnten analoge Mischpulten auch mal „heiß“ angefahren werden, salopp ausgedrückt „in die Sättigung“ gepegelt werden, führt eine Übersteuerung bei digitalen Pulten zu sofort hörbaren und ausschließlich kaputt klingenden Verzerrungen. Tut euch selbst den Gefallen und lasst euch beim Mischen diese Luft nach oben..

Interne Busstruktur

Jedes Mischpult verfügt intern über Busse bzw. Sammelschienen, um Signale zusammenzumischen. Das können Subgruppen, Aux-Wege, Matrix-Ausgänge und nicht zuletzt der Masterausgang sein. Welches Signal ihr nun wohin schickt, legt ihr im Routing fest. Neben dem Masterausgang, der häufig die Main-PA beschickt, werden Aux-Wege zur Beschickung von Monitor-Wegen sowie Zumisch-Effekten (z. B. Reverb, Chorus etc.) genutzt, Matrix-Ausgänge können z.B. für Delay-Lines, In- und Outfills, Pressesplits und Mitschnitte verwendet werden.

Groups A&H GLD
In Subgruppen können Instrumenten- und Vocalgruppen zusammengefasst und bearbeitet werden.

In Zeiten von 24Bit oder Fließkomma-Verarbeitung der Pulte ist der Headroom pultintern eigentlich immer ausreichend hoch, um keine Probleme erwarten zu müssen – aber im Sinne einer gesunden Gain-Struktur sollten die Pegel auch hier wieder um den Sweet-Spot liegen, damit die von den Ausgängen beschickten Geräte nicht „überfahren“ werden. Es bringt einfach nichts, die Matrix für die Delay-Line mit vollem Pegel, kurz vor dem Clipping „zu prügeln“ um dann am entsprechenden Prozessor bzw. Amp das Signal wieder absenken zu müssen.

Fader, PAN,Masterfader

Mit den Kanalfadern legt ihr, wenn bis hierhin alles geklappt hat, die Lautstärke der einzelnen Signale im Mix fest. Zu beachten ist hierbei, das die Auflösung, die so ein Fader bietet, logarithmisch verläuft. Was heißt das? Die präziseste Auflösung bietet der Fader um den mit 0 dB gekennzeichneten Bereich. Steht ein Fader sehr weit unten werdet ihr euch schwer tun, das Signal feinfühlig im Pegel zu verändern. Und hier beginnt ein bisschen „die Krux“ in Sachen Gain-Struktur, für die es leider keine Patentlösung gibt, sondern nur Übung und Erfahrung zum besten Ergebnis führt. Wenn von vorneherein klar ist, dass ein Signal nur sehr leise im Mix erscheinen soll, dann werde ich es (in Live-Situationen) nicht am Input-Gain so laut einpegeln, das der Fader dann bei -40 dB herumdümpelt und anders herum aber laut genug Input-seitig verstärken, damit ich weit genug vom Noisefloor entfernt bin.

EQ A&H GLD
Bei richtiger Mikrofonauswahl und Positionierung sind (hoffentlich) nur kleine Eingriffe am EQ nötig…

Der Vollständigkeit halber sei hier auch noch der PAN(orama)-Regler erwähnt, da dieser ebenfalls Einfluss auf die ausgespielte Lautstärke hat. Mit ihm erscheint das Signal, je nach Regler-Stellung, eben links oder rechts lauter auf eurer PA. Da sich die Pegelauswirkung im 3dB-Bereich bewegen, wird mit dem PAN-Regler aber sicherlich keine drastische Verbesserung bzw. Verschlechterung der Gesamt-Gain-Struktur herbei führen.

EQ und Kompressor

Anders sieht das bei Effekten wie dem EQ oder den Dynamics aus. Hier wird doch massiv in die Pegel-Strukturen der Signale eingegriffen. Eins vorneweg: Ihr könnt nur die Qualität der Signale mit euren Effekten bearbeiten, die ihr in der Quelle vorfindet. Schlecht gestimmte Drums und falsch positionierte Mikrofone könnt ihr nur sehr begrenzt wieder retten. Richtet euer Augenmerk also durchaus auf gute Signale ganz am Anfang der Kette.

Kompressor A&H GLD
Mit dem Kompressor werden Signale verdichtet und in ihrer Dynamik beschränkt.

Was hat das nun mit der Gain-Struktur zu tun? Signale, die nicht so klingen, wie sie sollen, verleiten dazu, sehr starke Eingriffe im EQ zu tätigen. Da werden Grundtöne bei der Bassdrum reingeschoben und tiefe Mitten für den fetten Gitarren-Sound geboostet… Was damit allerdings einhergeht ist, dass ihr eure Signale lauter macht – mit allen Konsequenzen in der nachfolgenden Bearbeitung – also eurer Gain-Struktur. Je besser also das jeweilige Instrument bzw. die Stimme klingen und abgenommen werden, desto kleiner und gezielter können eure Eingriffe ausfallen und sind somit im Sinne „gesunder“ Pegelverhältnisse. Ganz grob gesagt gilt die Faustformel. „Eher ziehen als boosten“. Also ungewünschte Resonanzen zielgerichtet entfernen und dann noch ein leichter „Geschmacks-EQ“.

Bei Kompressoren ist ein häufig zu beobachtender Fehler, dass das Signal nicht nur komprimiert wird (also in seiner Dynamik eingeschränkt um es besser kontrollierbar zu machen) sondern schlicht lauter gemacht wird – Stichwort Output-Gain. Dieses erhöhen der Lautstärke mag dann zwar fetter klingen, ließe sich mit einem Fader aber ganz genau so erreichen. Also beim komprimieren ruhig A/B hören, ob sich der Klang oder die Lautstärke eures Signals verändert.

Processing und Amps

Wie oben schon beschrieben, gibt es keine wirkliche Norm für den bereitzustellenden Headroom. Sinnvoll ist es aber, ein Pegel-Konzept durchzuziehen. Wenn an allen Geräten -18 dBFs die Null-Marke sein soll, so sollten auch die Lautsprecher-Controller und die Amps ihren 0-dB-Pegel erreichen, wenn diese Grenze am Pult erreicht ist. Dann sind durchgehend die Verstärkungswerte konsistent und leicht optisch am Metering nachvollziehbar. Ein so in sich stimmiges System kann dann eben auch immer gleich betrieben werden. Die Limiter greifen wann sie sollen, die Speaker sind geschützt und (bei gleicher PA) werden auch die Spitzenpegel gleich bleiben…

Stolperfallen auf dem Weg einer gesunden Gain-Struktur:

  • versehentlich gedrückte PAD-Schalter an DI-Boxen
  • falsch gesetzter Gain bei Funkmikros
  • Falsche / Fehlerhafte Adaptierungen

Vorteile einer guten Gain-Struktur:

  • besserer, aufgeräumterer Sound
  • Mehr Gain before Feedback
  • Wenig Rauschen, genug Headroom
  • Alle Komponenten arbeiten in einem sinnvollen Pegel-Bereich
  • Volle Kontrolle über das gesamte System