Abschied vom Rock’n’Roll – Jan Hartung macht sich die Taschen leer

Klack- klack, klack-klack, klack-klack, … spielen die Kunststoffrollen meines Wenger Trolleys den vetraut nachhallenden Homecoming Groove auf dem Gehwegpflaster zwischen Hauswand und Mülltonnennische.

Gleiches Tempo, gleiche Länge. Einmal rechts, Taschen abstellen, Schlüssel raussuchen, 8 Stufen, zweites Schloss, Tür auf, Taschen rein, Tür zu. Wieder da. Kurz den Stapel Briefe auf meinem Schreibtisch im Arbeitszimmer durchblättern, die Waschmaschine füttern, einen Blick in den Kühlschrank werfen, aufs Bett legen, iPad, Facebook, Walking Dead Staffel 8- Episode 11, einpennen.

Als die Augen wieder aufgehen, höre ich schon die Kids im Garten Fußball spielen. Jo, das waren dann glatt nochmal 5 Stunden „Powernap“. Wie so oft. Sie haben Papa schlafen lassen. Kennen sie auch gar nicht anders. Kaffee, kurzes Schwätzchen mit Peg, Garten, Angelstuhl, ab und zu ´ne kleine Runde mit den Jungs. Ansonsten nichts.

Ich habe sie nie gezählt, diese Tage. Warum auch? Außer diesen. Diesen einen. Denn der ist anders. Das liegt wahrscheinlich daran, dass er der letzte seiner Art sein wird. Der letzte in einer Reihe, denn für den nächsten Job muss ich keine Tasche packen. Kein Taxi, keine Bahn kein Flughafen Tegel. Ich habe sogar schon überlegt, mir ´ne Brotbüchse oder sowas zu kaufen. Es wird nämlich erstmal nicht mehr standardmäßig Catering geben. Fühlt sich irgendwie erfrischend an. Schwer zu beschreiben.

Letzte Woche war ich schon kurz da und habe den neuen Raum begutachtet, den ich mir ab demnächst mit Stefan teilen werde. Mein fester Arbeitsplatz. Montags bis Freitags von 9 bis 5. Halleluja! Vor 15 Jahren undenkbar. In der letzten Dekade aber immer öfter, immer bewusster erwogen.

Donnerstags kann ich um 14 Uhr abhauen. Schon alles geklärt. Krieg´ ich locker wieder reingearbeitet und Peg muss nicht zweimal die Woche früher Feierabend machen, damit die Jungs zum Training können. Fühlt sich gut an. Fühlt sich richtig an. Die Wurzeln werden wieder kräftiger.

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Jan Hartungs Lichtdesign für Santiano. © Markus Wilmsmann
Jan Hartungs Lichtdesign für Santiano.

Die innere Fackel brennt ruhiger. Ich schlafe besser. Regelmäßiger. Man wird mir bis auf Weiteres jeden Monat einen festen Betrag auf mein Konto überweisen. Ein ordentliches Grundrauschen, ohne Rechnung, abzüglich Steuern, Rente, Krankenversicherung. Das ist gut fürs Herz. In mehrfacher Hinsicht. Kurz sehe ich vor meinem inneren Auge Kollegen schmallippig nicken.
Bin wohl nicht der Einzige.

Ich werde mir mehr Zeit für alles nehmen. Auch für die Arbeit. Dinge in Ruhe erledigen. Nicht mehr dauernd irgendwie schnell und müde im Flieger oder Hotelzimmer.

Ich werde nächstes Jahr 40.

Ich leere den Trolley. Vollständig. Zum allerersten Mal. Er wird diesmal nicht vorgepackt und abreisebereit im Arbeitszimmer stehen bleiben.

Kurz die Wäsche auf die Leine und ab ins Wochenende. Ja, Wochenende. Verrückt.

Autor: Jan Hartung