Flügel, Feuer, Followspots – wie Tokio Hotel die Bühne erobert

Wenn Tokio Hotel auf Tour geht, trifft visuelle Extravaganz auf tonale Präzision – und genau das macht die aktuelle Produktion der Band so besonders. In einem exklusiven Gespräch geben Tom Groß (Lighting Director) und Mario Gärtner (FOH Sound) spannende Einblicke in ihren Arbeitsalltag auf dieser international tourenden Produktion. Zwischen Zeitdruck, Hightech-Setup und kreativen Herausforderungen zeigt sich: Diese Show ist bis ins letzte Detail durchdacht.

Lichtdesign zwischen Spiegelwelten und Timecode

Lighting Director Tom Groß ist kurzfristig zum Team gestoßen und war sofort mittendrin. Gemeinsam mit Bertil Mark, der das komplette Production- und Lichtdesign verantwortet, bringt Tom eine eindrucksvolle visuelle Welt auf die Bühne – dominiert von spiegelnden LED-Wänden, durchdachter Pyrotechnik und einem streng durchgetakteten Ablauf via Timecode.

Ein frühes Highlight der Show: Die Show beginnt mit einem Kabuki-Vorhang, hinter dem sich die Band zunächst als Schattenriss abzeichnet. Frontmann Bill Kaulitz wird dann auf einem Podest in die Höhe gefahren – mit riesigen Engelsflügeln – ein magischer Moment, der das Publikum regelmäßig zum Ausrasten bringt. Hinzu kommt ein fahrbares Podest, das ihn über die Bühne schweben lässt – eine Spezialanfertigung, die ebenso überraschend wie spektakulär wirkt.

Zum Einsatz kommen unter anderem Neo FX von Roxx, Eurus von Ayrton, Cameo Oron zur Projektion auf Spiegelobjekte, LED-Wände sowohl hängend als auch am Boden, sowie Pyroeffekte, Trockeneis und Konfettiregen – je nach Land und Location unterschiedlich skalierbar. Auch bei widrigen technischen Bedingungen bleibt das Setup durchdacht: Groß passt das Setup on the fly an die Venue an – mit Hilfe von Recipes in der grandMA3-Software, was den schnellen Austausch von Fixtures enorm erleichtert.

Sound mit Konzept – und Gefühl für Details

Im Bereich FOH sorgt Mario Gärtner dafür, dass der Sound genauso präzise wie eindrucksvoll beim Publikum ankommt. Er arbeitet mit einer Allen & Heath dLive S5000 Surface, kombiniert mit einer DM0 Stagebox. Als Lautsprechersystem setzt er auf L-Acoustics K2 Tops und KS28 Subwoofer, ergänzt durch Frontfills mit A10 und A15.

Besonders spannend ist die Mikrofonstrategie: Da Bill mehrere Kostümwechsel hat, kommen vier verschiedene Handhelds mit identischer Kapsel (Sennheiser MD 445) und zwei unterschiedlich designte Headsets zum Einsatz – immer passend zum jeweiligen Outfit. Für jedes Becken des Schlagzeugs gibt es ein eigenes KM 184 als Underhead, was klanglich ebenso präzise wie visuell diskret gelöst ist.

Im Signalfluss kombiniert Gärtner modernste Plugins mit analogem Outboard. Ein Rupert Neve 5045 Vocal Gate sorgt dafür, dass das Headset – trotz direkter Position am Mund – nicht überbetont wirkt. Danach geht es durch einen LA-2A Kompressor, einen Shellford Channel mit „Silk“-Modus und zurück ins Waves-System. Alle Kanäle laufen sauber strukturiert über Subgruppen – echte Drums, Trigger, Bass, Gitarren, Keys, Tracks und Vocals. Für ihn gilt: „Ein transparenter Signalfluss ist die Voraussetzung für gutes Mischen – vor allem, wenn es schnell gehen muss.

Zusammenspiel von Medien, Licht und Band

Im Zentrum der gesamten Show steht das Zusammenspiel von Licht, Video und Performance. Die gesamte visuelle Ebene – inklusive Content auf den LED-Wänden – wird über einen Pixera-Medienserver gesteuert und per Timecode getriggert. Inhalte wie das Band-Logo oder QR-Codes lassen sich via DMX Layer gezielt steuern. Zusätzlich kommt ein Follow-System von Robe mit zwei Esprite-Lampen zum Einsatz, das sicherstellt, dass Bill immer perfekt im Fokus bleibt – egal, wo er sich auf der Bühne befindet.

Die gesamte Produktion lebt von einer engen Verzahnung aller Beteiligten: Design, Programmierung, Medienserver, Band und Crew arbeiten nahtlos zusammen. Die Probenzeit war eng getaktet: eine Woche zum Programmieren, dann eine Woche Proben – zwei Tage davon nur Technik, der Rest mit Band. In dieser kurzen Zeit entstand eine Show, die auf Tour absolut professionell funktioniert und trotzdem Raum für kreative Highlights bietet.

Fazit: Technik, die Emotionen weckt

Ob riesige Flügel, sich spiegelnde LED-Wände, ein mitfahrendes Podest oder eine Vocal Chain mit chirurgischer Präzision – die aktuelle Tour von Tokio Hotel ist eine technische Meisterleistung. Aber nicht um der Technik willen, sondern um eine Show zu erschaffen, die das Publikum fesselt. Und genau das gelingt – dank eines Teams, das mit Know-how, Leidenschaft und Liebe zum Detail agiert.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden