Nook Schoenfelds Stories (5): Der Elefanten-Cue

Nook Schoenfeld ist Lichtdesigner und Geschichtenerzähler mit Erfahrung. Sein langer Weg durch das Showbusiness führte ihn durch so manche Hölle durch – darunter auch eine, in der fliegende Russen, Schlangen von Clowns und jede Menge Elefanten-Exkremente zum Alltag gehören.

Irgendwann vor etwa zehn Jahren klingelt mein Telefon. Ich erkenne die Nummer nicht und lasse die Mailbox rangehen.

– Hallo, ich suche Nook Schoenfeld. Ich bin der und der vom Zirkus so und so und wurde von den Eigentümern damit beauftragt, Sie für unsere Produktion zu engagieren. Können Sie mich bitte so schnell wie möglich zurückrufen, damit wir Ihre Dienste in Anspruch nehmen können?

Ich war verblüfft. Warum rufen sie ausgerechnet mich an? Ich habe noch nie daran gedacht, wegzulaufen und mich dem Zirkus anzuschließen. Ich bin der denkbar schlechteste Kandidat für diese Nummer. Ich beleuchte Rockshows und keine Turn- und Tanztheater, und die Tiere, die ich beleuchte, gehen auf zwei Beinen und tragen Gitarren. Ich bin ein New Yorker mit einer großen Klappe. Nee, die haben definitiv den Falschen erwischt.

Zwei Tage später, ein weiterer Anruf: „Hallo, ich bin mir nicht sicher, ob ich die richtige Nummer habe, aber mehrere Quellen sagen, dass das die Richtige sei… also hier ruft wieder der Zirkus an und….“

Ich nehme den Hörer ab, während der Typ noch in der Leitung ist.

– Hi, Nook hier. Hören Sie, ich glaube, Sie haben den falschen Kerl erwischt.
– Oh, ich versichere Ihnen, Sir, wir haben viel darüber nachgedacht und Sie sind tatsächlich die richtige Person für den Job. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht; wir waren bei Ihren Shows und haben uns Ihre Arbeit angesehen.
– Sie wollen mich wohl verarschen.
– Nein, Sir. Ich mache keine Witze.
– Ich will ehrlich sein, mein Terminkalender ist ziemlich ausgebucht.
– Deshalb rufe ich Sie acht Monate im Voraus an. Sowohl der diesjährige Kreativdirektor als auch der Bühnenbildner haben mich gebeten, Sie einzustellen – die beiden meinten, Sie machen einen prima Job und wissen, wie man ein fähiges Team zusammenstellt. Sie kennen Andrew Logan und Jeremy Thom?

OK, das ändert die Dinge. Der Ruf, den die Besitzer dieses Zirkus haben, ist nicht besonders gut. Ich hatte schon unzählige Horrorgeschichten gehört. Ich hatte alle Hände voll zu tun und konnte das Drama nicht gebrauchen, das sich mit Sicherheit ergeben würde, wenn ich diesen Posten annehmen würde. Aber das sind meine Freunde, die mich darum bitten. Ich trete gern mit ihnen auf. Freunde und Netzwerke sind wichtig.

– Was ist der nächste Schritt?
– Wir fliegen Sie zu einer Show und dann zu einem Treffen mit allen Beteiligten.
– Ich melde mich bei dir.

Im Hinterkopf weiß ich, dass ein alter Freund diesen Auftritt in den letzten fünf Jahren geplant hat. Ich bin kein Gig-Wilderer, also rufe ich ihn an. Er ist in der Karibik im Urlaub, also hinterlasse ich eine Nachricht, dass der Zirkus mich angerufen hat.

Am nächsten Tag ruft er zurück, um mir zu versichern, dass dieses Unternehmen routinemäßig alle zwei bis drei Jahre den Designer wechselt, um einen neuen Look zu bekommen, und dass er nach all der Zeit überrascht war, dass er immer noch im Amt war. Er wünschte mir alles Gute und gab mir einige gute Ratschläge: „Das wird ein extrem harter Job und diese Leute werden deine Nerven strapazieren. Bleib bei deinem Entwurfs-Honorar hartnäckig. Sie haben zwar das Geld, aber diese Leute geben dem Wort ’sparsam‘ eine neue Bedeutung“.

Rodeo kostet extra

Ich fliege ein, um die aktuelle Show zu sehen. Es ist eine großartig beleuchtete, unterhaltsame Show. Der Mann, der mich ursprünglich angerufen hatte, führte mich nach der Matinee-Vorstellung über das Gelände und gewährte mir einen Blick hinter die Kulissen. Das Catering besteht aus einem fettigen Imbisswagen mit einer Schlange von Clowns (im wahrsten Sinne des Wortes) davor. Ich treffe mehrere Crew-Mitglieder, allesamt nette junge Leute.

Dann will mich mein Vermittlungsmann mit Dimitry (ob das sein richtiger Name war?) bekannt machen, einem Kollegen, der schon ewig mit diesem Zirkus auf Tournee und für die Reparatur aller 200 beweglichen Clay-Paky-Scheinwerfer zuständig ist. Er hat einen 14 Meter langen Sattelauflieger, der ihm als Werkstatt dient. Der Zirkus besitzt alle 200 dieser Clay-Paky-Scheinwerfer und Dimitry wartet sie alle persönlich. Die Geräte sind alles andere als neu, aber extrem gut gewartet.

Als ich den Anhänger betrete, bleibe ich kurz stehen, um einen Blick auf seltsame Papierschnipsel zu werfen, die die beiden Wände bedecken. An den Wänden ist jede gedruckte Kolumne, die ich in den letzten 8 Jahren als „The LD @ Large“ für das PLSN-Magazin geschrieben habe, tadellos aufgeklebt. Es ist wie ein Schrein.

– Das ist ziemlich seltsam, Mann.
– Ach was, er mag nur, wie du schreibst. Alle hier draußen haben das gesehen und können es kaum erwarten, mit dir zu arbeiten.
– Danke für all das Vertrauen, aber ich bin nicht der Richtige für euch. Ruf doch Abby oder Peter zurück, sie sind besser für eure Bedürfnisse geeignet.
– Nun, wir sind bereit, Ihnen Betrag X anzubieten.

Ich erinnere mich an die Warnung meines Freundes.

– Danke, aber ich kann diesen Job unmöglich für diesen Betrag machen.
– Das ist ein fairer Preis für einen Entwurf und einen Monat Programmierung.
– Für manche ist es das, sicherlich. Ich hingegen würde X verlangen und wenn das passt, können wir den Vertrag unterschreiben.
– Oh Nook, ich bezweifle ernsthaft, dass sie sich auf diesen Betrag einlassen werden. Schließlich ist es dein erster Zirkus.
– Stimmt…, aber es ist nicht mein erstes Rodeo.

Ein paar Wochen später unterschreibe ich einen Vertrag über den von mir geforderten Betrag, und wir treffen uns alle in L.A. zu unserer ersten Kreativ-Runde. Ich treffe mich mit meinen Freunden und alles scheint gut zu laufen. Andrew hat großartige Ideen für das Drehbuch und Jeremys Ideen für das Bühnenbild sind fabelhaft. Mir wird gesagt: „Hier ist dein Traversen-Layout und hier ist eine Liste aller Geräte, die wir besitzen. Du kannst die Lichter für dein Design beliebig an der Traverse anbringen. Jedes Jahr geben wir dem Designer ein Budget für den Kauf neuer Technik. Letztes Jahr haben wir Clay Paky A.Leda Scheinwerfer gekauft. Du kannst jede beliebige neue Leuchte anfordern, solange sie von Clay Paky hergestellt wird – wir haben eine Abmachung.“

Da der Sharpy in jenem Jahr gerade auf den Markt gekommen war, bestellte ich 24 Stück für das zugeteilte Geld.

Das funktioniert seit zehn Jahren perfekt

Die Vorzeichen für diese Show waren alles andere als gut. Ich nahm an ein paar kreativen Treffen teil, bei denen es zu Auseinandersetzungen kam. Obwohl der Zirkus uns wegen unserer Ideen und Fähigkeiten angeheuert hat, kam es immer zu Problemen, wenn wir irgendwas davon nutzen wollten. Es schien fast so, als hätten sie zwar gerne ein Paar neue Namen auf dem Plakat, aber dennoch das gleiche alte Programm im Zelt: „Wir wollen keine kreisförmige Traverse und keinen Kronleuchter über den Tigern. Projektionen? Wollen wir nicht! Das wollen wir auch nicht und das da schon gar nicht, nada, nada, nada.“

Und wie eine springende Schallplatte immer wieder das Totschlagargument: „Nun, ich kenne mich mit dieser Technik nicht aus, aber ich kenne den Zirkus!“

Einen Monat, nachdem ich den Job angenommen hatte (und einige Monate vor dem Load in) rief mich mein Freund, der Kreativdirektor, an und teilte mir die traurige Nachricht mit, dass er gekündigt habe. Er konnte den Streit einfach nicht mehr ertragen und seine Drehbuchideen wurden nicht geschätzt. Zwei Wochen später folgt mein Bühnenbildner seinem Beispiel. Beide nehmen sich Anwälte, um aus den Verträgen herauszukommen und eine Abfindung zu kriegen. Der Job fing an, ziemlich haarig zu werden, aber ich hatte einen Vertrag unterschrieben. Sobald ich das Geld genommen hatte, war ich entschlossen, mein Bestes zu geben.

Es ist schwierig, einen Programmierer zu finden, der einen ganzen Monat lang bis Weihnachten arbeiten kann. Man müsste schon alleinstehend oder pleite sein, um diesen Job anzunehmen. Noch schwieriger war die Forderung der Firma, dass wir die Show auf einer Maxxyz-Konsole programmieren sollten. Diese Pulte waren zu ihrer Zeit in Ordnung, aber diese Zeit war schon damals seit einigen Jahren vorbei. Ich hatte wirklich Glück, als ich meinen alten Freund Warren Flynn anrief und er sich bereit erklärte, mein Programmierer zu sein.

– Weißt du, Nook, ich habe vor Jahren eine dieser Sendungen mit Don programmiert. Das war kein Spaß.
– Stimmt, aber du wirst mit 20.000 im Monat davonkommen.
– Glaube mir, ich will das Geld. Aber dieser Gig…., ich warne dich, das sind keine netten Leute.

Zuerst sehen wir uns die Eröffnungs- und Abschlusszeremonie an, dann verbringe ich zwei Tage mit Warren, drücke Knöpfe, programmiere beide Szenen … wie eine Rockshow. Die Leute sind begeistert. Alle lieben die Sharpys und lassen mich in Ruhe. Aber die Konsole bringt uns um. Jedes Mal, wenn Warren auf der Konsole „Aufnahme“ oder „Update“ drückt, dauert es ganze 15 Sekunden, bis die Konsole den Cue aufnimmt. So etwas habe ich noch nie erlebt. Als Designer, der Befehle schneller bellen kann, als die meisten Programmierer tippen können, bringt uns das beide um. Der Zirkus weigert sich, uns ein richtiges Lichtpult zu geben, mit der Begründung: „Das funktioniert jetzt schon seit zehn Jahren perfekt.“

Was passiert, wenn die Elefanten durchdrehen?

Während ich den Elefanten zuschaue, dämmert es mir – was passiert, wenn sie durchdrehen? Was machen wir mit der Beleuchtung, wenn die Tiger ihren Trainer zerfleischen? Ich frage den Mann, der mich angeheuert hat, ob so etwas schon einmal vorgekommen ist und er antwortet mir, dass beides in der langen Geschichte dieser Show schon vorgekommen ist.

Mit diesem Pult habe ich nur wenige Fader, aber ich beschließe, dass ich für einen ganz besonderen Cue definitiv Platz finden werde – einen Cue, der mir immer als Notfall-Cue dienen wird. Er stoppt alle Bewegungen und Effekte. Er parkt alle 200 Lichter gerade nach unten ins Weiß. Es ist ein Showstopper. Ich habe nicht gedacht, dass ich meinen „Elefanten-Cue“ jemals benutzen würde – aber nur für den Fall…

The show must go on

Die Tage waren brutal. Wir kamen täglich mittags an und gingen um sechs Uhr morgens. Am Nachmittag sahen wir ihnen bei den Proben zu, dann bekamen wir das Videoband der aufgezeichneten Proben zugeschickt und programmierten damit die ganze Nacht. Das war ein faires und gutes System. Aber sie begannen jeden Tag um acht Uhr morgens und änderten oft die Dinge in diesem verflixtem Zirkus, bevor wir für die weitere Programmierung zurückkehrten. Eines Abends programmierten wir zum Beispiel für eine Menagerie-Nummer mit Pferden, Katzen, einem Eselskarren usw. Warren schrieb in dieser Nacht 176 Cues, die auf den Lichtern rund um Manege Nr. 3 an einem Ende der Arena basierten. Am nächsten Tag kommen wir rein und müssen feststellen, dass das Kreativteam über Nacht beschlossen hat, die gesamte Produktion mit den 176 Cues in die Manege 1 am anderen Ende der Arena zu verlegen. Und sie wollen natürlich mit der Beleuchtung proben.

– Es tut mir leid, aber alle Cues, die wir geschrieben haben, basieren darauf, wo wir gestern geprobt haben. Es würde mindestens vier Stunden dauern diese Szene im anderen Rig nachzustellen.
– Ausreden! Das ist alles, was Sie uns anbieten! Wir geraten in Verzug. Wir waren noch nie so weit mit der Programmierung dieser Show im Verzug!
– Oh…., darauf habe ich schon gewartet.
– WAS!!?
– Die letzten beiden Leute, die Sie für diese Show angeheuert haben, haben mir gesagt, dass ich damit rechnen muss, dass Sie das irgendwann sagen würden.
– Aargh! Bleib einfach die ganze Nacht und mach es richtig.
– Auf jeden Fall, du wirst es lieben.
– Es lieben? Die Leute hassen es! All diese Sharpys, Akzente, Stroboskope, das ist wie eine Rockshow. Der Besitzer würde am Liebsten all diese Sharpys einpacken und wegschicken, aber die Firma will sie nicht zurücknehmen. Wir müssen sie behalten.

Der Zirkus liebt Gobos. Ich hingegen bin kein Freund von Gobos. Aber jedes Jahr muss der neue Designer seine ganz eigene Sammlung an Gobos für alle 100 Moving Lights aussuchen, die der gleichen Generation angehören wie das Maxxyz-Pult (dieses Beleuchtungspaket ist der Oldtimer deines Vaters). Also tue ich das auch. Aber so richtig effektiv sind sie nicht. Wegen des schwarzen Schwamms.

Schwarzer Schwamm. Graue Schwämme. Diese Begriffe habe ich von meinem Freund Peter, der zugegebenermaßen „bestimmt zehn von den Dingern angezündet hat.“ Der Boden der gesamten Arena besteht aus diesem Material, das schwarz, fest, aber weich ist – als würde man auf einem Kunstrasen-Fußballfeld laufen. Und sie absorbieren das Licht, anstatt es zu reflektieren. 100 überlagerte Gobos können dem Ganzen eine minimale Textur verleihen, aber zwischen diesem Material und dem Staub, der alles in der Probe-Arena zu bedecken scheint, wirkt es einfach wie ein schwarzer Schwamm, der das ganze Licht aufsaugt.

Olivgrüner Staub bedeckt alles. Ich habe gehört, dass er von den Elefanten stammt. Sie entleeren sich nämlich, wo es ihnen gerade passt – und das in großen Mengen. Und es gibt keinen Zentimeter dieses schwarzen Schwamms, der nicht tonnenweise Dickhäuterurin aufgesaugt hätte. Ich habe vergessen, wie das Team diesen Staub nannte, aber es war so etwas wie DEFM, „dried elephant fecal matter“.

Die Elefanten, die Peter als graue Schwämme bezeichnet, sind auch nicht einfacher als ihre Ausscheidungen zu beleuchten. Ich habe 100 bewegliche Scheinwerfer, die den Rand der Arena nur für diese Mammuts ausleuchten. Der Besitzer, der mich letzte Woche mochte, beschwert sich jetzt, dass er seine Elefanten in der Eröffnungssequenz nicht sehen kann. Die Kamera sagt etwas anderes.

Wir proben gerade den monumentalen Abschluss des ersten Aktes. Es sind über 100 Darsteller gleichzeitig auf der Bühne, und ich habe die Aufgabe, jedes Stück der sich ständig bewegenden Action zu beleuchten. Jede Menge Action, denn alle „Statisten“, die gerade keine Zirkuskunststücke vorführen, dienen als Tänzer und bewegen sich in einer geflochtenen, choreografierten, fast Rockettes-artigen Tanzlinie hin und her. Das ist alles schön und gut… bis sich jemand weh tut.

Der Zirkus ist schlau und hat sich alles einfallen lassen, um mit seiner Show ein paar Dollar mehr zu verdienen. Dazu gehört auch der Verkauf von VIP-Plätzen in diesen Karawanen von zusammengekoppelten Wägen, die sich manchmal über die Bühne schlängeln und die VIPs ganz nah an das Geschehen heranbringen. Die sollen natürlich auch beleuchtet werden, denn sie sind Teil der Show.

Die Choreografie ist so angelegt, dass die umstehenden Tänzer zu bestimmten Zeiten der Musik nach vorne treten, damit die VIP-Karawane hinter ihnen rollen kann. Es herrscht ein wenig Verwirrung, da wir diesen Teil den ganzen Tag üben, während die Akteure ihre Tanzschritte lernen. Lichter huschen hin und her, Farben blitzen auf und ab, Warren hat über 100 Cues, die er allein für dieses Segment bedient. Ich schaue gerade noch rechtzeitig auf die andere Seite der Arena, um zu sehen, wie eine der Spielerinnen in einem unglücklichen Moment zurücktritt und die Karawane sie überfährt und verletzt. Die Leute versammeln sich um sie, um ihr zu helfen. Sie rufen nach den Sanitätern, aber es ist alles wie immer, die Show muss weitergehen, nicht wahr?

Scheiß drauf, das ist eine Probe – ich drücke den Elefanten-Cue. Alles bleibt stehen. Die Arena ist in weißes Licht getaucht. Die Musik wird unterbrochen. Die Sanitäter kommen mit einer Bahre heraus, um das verletzte Mitglied ins Krankenhaus zu bringen. Es ist der schlimmste Albtraum dieser Darsteller, bei diesem Job verletzt und nach Hause geschickt zu werden. Sie würden alles tun, um das zu vermeiden. Das nächste, was ich weiß, ist, dass jemand hinter mir schreit.

– Du darfst die Show niemals aus irgendeinem Grund unterbrechen! Wäre das eine Live-Sendung gewesen, wären wir in den Zeitungen!
– Wir sind nicht live. Eine Ihrer Mitarbeiterinnen brauchte einen Krankenwagen. Ich habe das menschenwürdige getan.
– Es ist nicht Ihre Aufgabe, „menschenwürdig“ zu sein!

Ich schalte den Elefanten-Cue aus und nehme die Proben wieder auf. Offenbar ist der größte Teil der Besetzung entbehrlich.

Der Elefant im Raum

Am Heiligabend haben sie uns einen soliden Truthahn serviert. Wir haben einen Probedurchlauf für die Besetzung, die Crew und Freunde der Show. Ich habe etwa 90% des Programms fertiggestellt. Meine Frau und mein Kind sind eingeflogen, damit wir uns die Show ansehen und am nächsten Tag nach Disneyland fahren können. Wir gehen die Proben durch und so weit ist alles in Ordnung. Jedenfalls dachte ich das. Dann kommt der Produzent.

– Hey Nook, sieht irgendwie so aus, als würde die ganze Arena morgen dunkel bleiben. So weit waren wir noch nie im Verzug.
– Au contraire, das Ende des Tunnels ist in Sicht. Ich muss noch einen letzten Akt beleuchten und dann läuft das Finale.
– Du hast morgen den ganzen Tag Zeit, um die ganze Programmierung zu bereinigen. Da musst du jetzt durch.
– Nein, ich werde Weihnachten freinehmen.
– Warum zum Geier scherst du dich um Weihnachten?

Langsam klingelt‘s bei mir. Ich erinnere mich an all die jüdischen LDs, die vor mir für diese Show gearbeitet haben. Mit meinem deutschen Nachnamen hatten die Produzenten angenommen, dass sie einen jüdischen LD engagiert hatten. Ich erkläre denen, dass ich jetzt gehen und mir eine protestantische Kirche suchen muss, um mit meiner Familie Jesus anzubeten. Und am 26. um 6 Uhr morgens werde ich wieder hier sein, um zu programmieren. Ich könnte schwören, ich habe Dampf aus ihren Ohren steigen gesehen.

Später in der Woche haben wir eine Gruppe von russischen Trampolinturnern – die letzten Talente, die ich noch beleuchten muss, dann bin ich mit dem schwierigen Teil durch. Sie haben eine dreistöckige, durchsichtige Plexiglasstruktur mit Türen, durch die die Truppe hinein- und hinausspringt. Die Athleten scheinen an den Seiten der Struktur hinaufzulaufen, um nach oben zu gelangen (wobei sie tatsächlich vom Trampolin abspringen). Ich habe jeden Zentimeter dieser Struktur mit LED-Klebeband ausgekleidet, um ihnen zu helfen ihren Weg zu finden und um es visuell beeindruckend zu machen. Ihre Routine ist in fünf Teile unterteilt und ich habe die Lichtstimmungen bis zu einem Crescendo aufgebaut. In der Nacht, bevor der Kunde diesen Teil der Show sehen soll, verbringen Warren und ich fünf Stunden am Stück mit diesen Russen. Ihr Anführer spricht ein wenig gebrochenes Englisch und wir besprechen die genau Lichtmenge, die sein Team braucht um ihre Routine sicher durchzuführen. Ich finde, es sieht am Ende ziemlich cool aus.

Wir kommen am nächsten Tag und führen das Segment mit den Kunden in der Arena durch. Die sind richtig wütend, als sie auf unser Pult zumarschieren.

– Am Anfang ist viel zu viel Licht und Sie müssen bis zum letzten Segment warten, um Ihr LED-Band zu verwenden.
– Bei allem Respekt, Ma’am, ich habe fünf Stunden lang mit dem Teamleiter genau besprochen, was das Team an Licht braucht, um sicher arbeiten zu können.
– Sie tun, was ich sage! Diese Leute traten in einem Dschungel am Arsch der Welt auf und wurden mit Taschenlampen beleuchtet, bevor wir sie fanden. Beleuchten Sie sie greller!

Bevor sie alle vor Wut überschäumen, lassen wir sie uns erklären, wie das Trampolin denn genau beleuchtet werden soll. Warren schreibt die Stichwörter auf.

– Bei allem Respekt, aber ihr wollt einen Lichtpunkt in die Mitte des Trampolins setzen. Die Jungs springen von einem 9 Meter hohem Turm und müssen sehen, wo sie aufkommen.
– TU EINFACH, WAS ICH SAGE, UND HÖR AUF ZU STREITEN!!!

Ich gebe zu, ich habe vielleicht ein wenig gelächelt, als ich diesem stinkreichen Sklaventreiber beim durchdrehen zusah.

NUN GUT. Zurück zu den Proben mit der gewünschten neuen Beleuchtung. Die Chefetage sitzt jetzt mit ihrer Familien auf der anderen Seite der Arena und beschwert sich zweifellos darüber, dass sie dem LD seinen Job beibringen musste. Die Turner beginnen mit ihrem Auftritt – und der ist offensichtlich nicht gut. Es gibt kein LED-Band, um die Türen hervorzuheben, durch die sie springen müssen. Warren hat, wie befohlen, einen einzigen Spot auf die Mitte des neun Meter breiten Trampolins gerichtet und drei Jungs springen gleichzeitig. Dann sehe ich im sanften Schein dieses einzelnen Lichts etwas zur Seite fliegen, gut fünf Meter hoch und weg vom Trampolin. Warren schaut mir ins Gesicht.

– Hast du das gesehen?
– War das einer der Russen?
– Ich glaube schon. Lass mich den nächsten Queue drücken.

Als das Licht heller wird, sehe ich den gestürzten Athleten. Er hat sein Ziel verfehlt und wurde auf den schwarzen Schwamm geschleudert. Er beginnt aufzustehen, aber sein Bein ist angewinkelt. Er humpelt zurück zur Struktur. Mein erster Gedanke ist: „Oh mein Gott, er wird wahrscheinlich versuchen mit seinem kaputten Bein wieder nach oben zu kommen, damit er nicht nach Hause geschickt wird.“

Ich beobachte, wie der Mann auf einem Bein zur Struktur hüpft und dann vor Schmerzen auf den Rücken fällt. Er braucht einen Krankenwagen. Ich presse zum zweiten und letzten Mal in meiner Karriere auf den Elefanten-Cue. Warren dreht langsam seinen Kopf zu mir.

– Oh Scheiße Nook, darüber werden sie nicht glücklich sein.
– Zehn Minuten.
– Was meinst du?
– Ich rechne damit, dass ich in zehn Minuten eine Entscheidung treffen muss… entweder oben auf der Tribüne oder draußen vor dem Zelt.

Und tatsächlich, wir blicken in die Arena und der Chef geht zwischen Sitzen auf und ab, das Telefon ans Ohr geklebt, und ist sichtlich verzweifelt. Die Sanitäter sind wieder einmal mit der Bahre unterwegs und während ich diesen armen Kerl beobachte, fühle ich mich schrecklich. Aber nicht so schlimm wie in der nächsten Minute, als mir der Mannschaftskapitän, der tatsächlich in Tränen ausbricht, auf die Schulter klopft. In gebrochenem Englisch sagt er:

– Wir arbeiten die ganze Nacht mit Licht, oder? Show, es ist perfekt. Dann wechselst du. Jetzt ist der Mensch verletzt. Das ist deine Schuld.
– Ich werde die Schuld auf mich nehmen, aber ich kann das Problem nicht beheben, da ich kurz davor bin, gefeuert zu werden.
– Mit wem kann ich sprechen?
– Siehst du die Person da drüben, die dich angeheuert hat? Sie haben die Lichtzeichen geändert.
– Du kannst nicht zurück ändern?
– Warren hier kann das leicht. Aber erst, wenn die es sagen. Er wird auch morgen noch hier sein.

Als er weggeht, vibriert mein Telefon. Ich sehe, dass der Typ, der mich eingestellt hat, nun mit meiner Kündigung beauftragt wurde. Ich gehe ran und sage: „Tribüne“. Warren kichert.

Endlich gefeuert

– Nun, das hast du wohl kommen sehen.
– Von ganz weit her. Ich habe dich gewarnt, dass ich der falsche Kandidat bin.
– Vielleicht, aber ich muss sagen, deine Arbeit hast du toll gemacht. Wirklich ganz anders, als es jemand jemals gemacht hat. Schick mir eine SMS, mit welchem Flug du morgen früh fliegen willst, ich buche den für dich.
– Da mein Vertrag nun aufgelöst wurde, wann kann ich mit der Erfüllung meines restlichen Vertrages rechnen?
– Sobald die Banken am Montag öffnen, wirst du in voller Höhe bezahlt.

Er war wirklich ein aufrechter Kerl. Sie haben nur einen Fehler gemacht, als sie mich einstellten.

Ein paar Minuten später taucht der Fixer auf. Ein wirklich talentierter Bursche. Ich kann mich nicht mehr an den Namen des jungen Programmierers erinnern, aber es war seine Aufgabe, das Lichtdesign nach unserem Abgang so zu „reparieren“, wie es der Kunde wollte. Zum Beispiel sollte er alle Lichter immer anmachen. Den negativen Raum entfernen. Die ganze Szene matschig aussehen lassen. Er war ein Profi, und ich war froh, ihm den USB-Stick zu übergeben. Ich suchte meinen Crew-Chief auf, der als Beleuchtungsdirektor für die Show fungieren sollte, und teilte ihm die frohe Botschaft mit. Er war ebenfalls ein großartiger Mann und völlig überrascht. Seiner Meinung nach sah die Show doch eigentlich ziemlich gut aus.

Dann gingen Warren und ich noch auf ein Getränk. Oder zwei. Wir hatten vier Wochen lang täglich 18 Stunden Seite an Seite gearbeitet und er war deprimiert, dass ich ihn in der letzten Woche allein lassen musste. Ich war deprimiert, dass ich ihn hängen ließ. Ich war noch nie bei einem Gig gefeuert worden, seit ich 1984 Monitormischer war. Sein Zitat: “Wenn du hier raus bist, bin ich auch weg. Ich gehe immer mit demjenigen heim, der mich zum Tanz mitgenommen hat.“ Ich sagte ihm, dass er die Arbeit für mich wie vertraglich vereinbart zu Ende bringen müsse. Aber ich wusste die Kameradschaft sehr zu schätzen.

Niemand wird gerne gefeuert, aber ich sah das Positive daran. Ich verließ die Hölle eine Woche früher bei voller Bezahlung. Manchmal schaue ich zurück und frage mich, ob ich der Einzige bin, der jemals einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat und dennoch unbeschadet davongekommen ist.

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