Das UHF-Frequenzband zwischen 470 und 694 MHz wird derzeit vom Rundfunk zur terrestrischen Fernsehverbreitung (DVB-T2) und für drahtlose Produktionsmittel wie Funkmikrofone (PMSE: Program Making and Special Events) genutzt. Doch damit könnte nach der nächsten Weltfunkkonferenz (WRC-23) in Dubai Schluß sein. Ist Deutschland auch in dieser Hinsicht auf dem besten Weg zur „Bananenrepublik?“
Die „Kasseler Banane“ hört sich an wie ein exotische aufgepepptes Hausmannskost-Gericht. Tatsächlich hat dieser lustig anmutende Begriff aber einen sehr ernsten Hintergrund: Je nachdem, welche Entscheidung auf der nächsten Weltfunkkonferenz 2023 gefällt wird, könnte auch das eingangs erwähnte TV-UHF-Frequenzband in weiten Teilen Deutschlands weitestgehend unbrauchbar werden: Für PMSE, aber auch für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, kurz: BOS. Denn diese sind zwar noch nicht im UHF-Band vertreten, haben aber bereits reges Interesse bekundet. So steht es jedenfalls in einem Schreiben, das die Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen heute an Politik und Medien verschickt hat.
Militär und Mobilfunk als Mitbewerber
Denn das auch von 470 bis 694 MHz ist heiß begehrt: Bereits jetzt haben neben den BOS gewichtige Player wie das Militär und nastürlich kommerzielle Mobilfunkanbieter ihr Interesse an den Kulturfrequenzen bekundet. Alle Nutzer haben erklärt, dass sie die Frequenzen langfristig für ihre Zwecke benötigen.
Daher wird regelmäßig überprüft, ob die Verteilung der Frequenzen weiterhin sinnvoll ist. Dies geschieht im November/Dezember 2023 bei der Weltfunkkonferenz (WRC-23) in Dubai. Denn da Frequenzen nicht an Ländergrenzen
Halt machen, muss eine internationale Einigung in der sogenannten Weltregion 1 (Europa, Afrika, Russland, arabische Staaten) gefunden werden.
Digitale Dividenden
Bei vergangenen Weltfunkkonferenzen wurde der für Rundfunk und Kultur nutzbare Frequenzbereich deutlich reduziert. Infolgedessen nutzt der kommerzielle Mobilfunk nun das 800 MHz-Band und das 700 MHz-Band. Dies nennt man „Digitale Dividende 1“ und „Digitale Dividende 2“.
Der Rundfunk konnte die Verluste vor allem dank technischer Innovationen und mit großem Aufwand auffangen. Die Kultur er-
lebt jedoch sogar Einschränkungen ihres Betriebs: Nicht alle Veranstaltungsformen, die gewünscht sind, können in Deutschland heute noch stattfinden. Es wurden zudem sehr viele brauchbare Produktionsmittel durch die digitalen Dividenden zu weitgehend wertlosem Elektroschrott.
Die künftige Nutzung des Bandes wird politisch entschieden: Zunächst wird auf der Weltfunkkonferenz (WRC-23) das Band möglichen Funkdiensten zugewiesen, dann erfolgt eine Zuteilung an Anwendungen auf nationaler Ebene.
Doch schon heute gibt es einen Mangel an Frequenzen für die Kultur. Das zeigte etwa das Musikfestival Lollapalooza 2022 in Berlin (mothergrid berichtete.) Hier mussten 525 Funkstrecken koordiniert werden, wobei unkoordiniert im gleichen Spektrum noch 103 weitere Nutzungen hinzukamen. Dies ergab einen Spektrumsbedarf von rund 250 MHz und es mussten einige Frequenzanfragen abgelehnt werden. Das Problem besteht auch in anderen Regionen Deutschlands, so die Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen: An vielen Orten an der Westgrenze Deutschlands können Festivals wie das Lollapalooza gar nicht mehr stattfinden, konstatiert die Allianz in ihrem Schreiben.
Drei Alternativen, nur eine akzeptabel
Bei der WRC-23 stehen drei Alternativen zur Auswahl: Entweder bleibt alles beim Alten, die sogenannte „No-Change-Variante“. Diese Variante wäre die Lösung für die Kulturfrequenzen. Sie entspricht laut der Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen dem Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung und wird auch von Nachbarländern wie Frankreich unterstützt.
Eine zweite mögliche Alternative, „ko-primär“ genannt, wäre die Nutzung durch kommerziellen Mobilfunk und BOS (ko-primär), die dritte Variante („sekundär“) sieht die Nutzung durch Rundfunk und Mobilfunk vor. Diese beiden Vorschläge werden von Rundfunk und Kultur abgelehnt. Nach deren Willen soll schlicht alles so bleiben, wie es ist.
Und die „Kasseler Banane?“
Die Kasseler Banane beschreibt das Szenario, das ab 2030 möglich wäre, wenn die Wahl auf die zweite Variante fällt: Wegen der fortlaufenden Einstrahlungen aus dem Ausland wäre eine BOS-Nutzung in Deutschland lediglich in einer kleinen Region rund um Kassel möglich.
Denn die von den Innenministerien angedachte Reihenfolge, zuerst eine „ko-primäre“ Zuweisung auf der WRC-23 zu bewirken und erst im Anschluss eine europäische Harmonisierung der BOS-Frequenzen anzustreben, wird nach Ansicht der Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Denn eine europäische Harmonisierung dieser Frequenzen für BOS erscheint der Allianz äußerst unwahrscheinlich. Die bestehenden und geplanten Rundfunknutzungen der Nachbarländer haben Bestandsschutz, auch über 2030 hinaus. Also genau den Zeitraum, über den auf der WRC-23 entschieden wird.
Zudem wird das Band von Russland, Ukraine und Belarus auch militärisch genutzt. Auch mit diesen Ländern müsste, wegen
der Einstrahlungen nach Deutschland, eine Einigung gefunden werden.