Auf beiden Ohren blind: Akustik in Arenen

Akustik in Arenen und Mehrzweckhallen – Probleme, Standards und Lösungen

Große Veranstaltungsstätten wie Mehrzweckhallen, Arenen oder nicht primär als Konzerthäuser konzipierte Räume stellen die Beschallungstechnik vor besondere akustische Herausforderungen. Lange Nachhallzeiten, ungünstige Raumgeometrien und eine oft unzureichende akustische Planung führen dazu, dass selbst hochkarätige Produktionen klanglich leiden.

Michael Häck, ehemaliger Tontechniker der Kölner Lanxess Arena, äußert hierzu deutliche Kritik. Er freut sich über jedes Open-Air-Konzert, „weil es im Freien stattfindet und wir alle nicht von irgendwelchen räumlichen Unsäglichkeiten begleitet werden“ – sprich: draußen entfallen problematische Raumakustik-Effekte vollständig. In geschlossenen Arenen hingegen könne die Nachhallzeit schon mal 5–6 Sekunden betragen, was für seine Ohren „meist schlecht bis scheußlich“ klingt.

Häck bemängelt insbesondere, dass es keine verbindlichen Richtlinien gibt, die für Konzertveranstaltungen in solchen Hallen eine maximale Nachhallzeit vorgeben: „Der Bau jeder Bühne ist nach DIN-Normen vorgeschrieben… Es gibt nirgendwo eine Richtlinie: Wenn hier ein Pop-Konzert stattfindet, sollte der Raum vielleicht 1,8 Sekunden Nachhall haben, vielleicht noch 2 oder 2,2, aber dann ist Schluss“. Es gibt Baubücher, Richtlinien und Abnahmen, ein solches Vorgehen wünscht sich Häck auch für die akustischen Aspekte von Veranstaltungsstätten. Im Folgenden beleuchten wir die Ursachen dieser Akustikprobleme, geben einen Überblick über Standards und Empfehlungen und stellen Lösungsansätze vor.

Typische Akustikprobleme in großen Veranstaltungsstätten

  • Überlange Nachhallzeiten: In weitläufigen, harten Räumen baut sich Schall lange ab – leere Arenen oder Sporthallen weisen teils Nachhallzeiten von über 3 Sekunden auf, in Extremfällen sogar 5–8 Sekunden. Dies führt zu Verwischung des Klanges: Impulse und Musikdetails werden vom lang anhaltenden Hall überlagert. Besonders Sprachverständlichkeit leidet unter zu langem Nachhall – Durchsagen oder Songtexte kommen beim Publikum nur noch als diffuser Klangteppich an.
  • Ungünstige Raumgeometrien: Architektonische Gegebenheiten wie große glatte Flächen, parallel reflektierende Wände oder gewölbte Decken verstärken Akustikprobleme. Konkave Formen (z. B. Kuppeldächer oder runde Arenen) können Flatterechos und Fokus-Effekte erzeugen. Problematisch sind auch hohe Decken ohne ausreichende Dämpfung: Schall gelangt ungehindert in große Höhen und hallt von dort zurück. Solche Geometrien waren oft dem Design oder der Multifunktionalität geschuldet – akustische Aspekte traten beim Bau in den Hintergrund.
  • Mangelnde akustische Planung: Viele ältere Mehrzweckhallen wurden ursprünglich für Sport oder Messen konzipiert, ohne gezielte Auslegung für Konzerte oder Beschallung. Akustik galt als nachrangig, solange Kapazität, Optik und Funktion stimmten. Eine ganzheitliche Planung unter Einbezug von Akustikfachleuten fand selten statt. Erst nachträglich – wenn Beschwerden über „vermatschten“ Sound laut werden – denkt man über Akustikmaßnahmen nach.

Nachhallzeit: Richtwerte, Normen und Empfehlungen

Die Nachhallzeit (RT60) – definiert als Zeitspanne, bis der Schalldruckpegel nach Signalende um 60 dB abgefallen ist – gilt als Schlüsselfaktor für die akustische Qualität eines Raumes. Wie viel Hall optimal ist, hängt stark von der Raumnutzung ab.

Für jede Nutzungsart gibt es einen optimalen Nachhall – weicht die Hallzeit deutlich davon ab, wird die Akustik als ungeeignet empfunden. Inzwischen haben sich je nach Veranstaltungsart grobe Zielwerte etabliert:

  • Konzertsäle (klassische Musik): ~1,8–2,2 s Nachhallzeit
  • Rock-/Pop-Konzerthallen und Arenen: 1,5–1,8 s werden angestrebt, maximal 2 s
  • Sprachveranstaltungen (Theater, Konferenzen): < 1,0 s

Diese Richtwerte finden sich in der DIN 18041 „Hörsamkeit in Räumen“, die Soll-Nachhallzeiten in Abhängigkeit von Raumvolumen und Nutzungsart festlegt. Für sehr große Arenen existieren allerdings keine verbindlichen Vorgaben – genau diese Lücke kritisiert Häck.

Optimierungsansätze für bessere Hallenakustik

  • Bauliche Maßnahmen: Absorber, Vorhänge, Deckensegel oder spezielle Akustikdecken können Nachhallzeiten drastisch reduzieren. In Stockholm etwa wurde in der Avicii Arena eine neue Akustikdecke installiert, die die Nachhallzeit „um ein Vielfaches“ verbessert.
  • Gezielte Beschallung: Moderne Line-Array-Systeme und Delay-Lautsprecher sorgen für höheren Direktschallanteil und gleichmäßigere Pegelverteilung.
  • Aktive Akustiksysteme: Systeme wie Meyer Sound Constellation oder E‑coustic ermöglichen es, Raumakustik elektronisch zu steuern und an Veranstaltungstypen anzupassen.
  • Buchtipp: „Rock & Pop Venues“, hier geht’s zu Rezension

Fazit

Akustik in großen Veranstaltungsstätten ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Architekten, Akustiker und Beschallungstechniker müssen von Beginn an zusammenwirken, um die Balance zwischen Raumklang und Beschallung zu finden. Für bestehende Hallen gibt es heute vielfältige Möglichkeiten – von Absorbern über modernste Lautsprechersysteme bis hin zu virtueller Akustik – um den Klang für das Publikum deutlich zu verbessern. Letztlich zahlt sich jede Investition in die Akustik doppelt aus: Künstler können ihr Schaffen unverfälscht präsentieren, und Zuschauer erleben Musik und Sprache klarer, differenzierter und angenehmer.

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Michael Häck ist erfahrener Tontechniker und Beschallungsspezialist mit jahrzehntelanger Erfahrung im Live-Entertainment-Bereich. Viele Jahre war er als Haustontechniker der Kölner Lanxess Arena tätig und betreute dort unzählige nationale und internationale Produktionen – von Rock- und Pop-Konzerten über TV-Shows bis hin zu Großevents mit komplexer Audioplanung.

Heute arbeitet Häck als freier Toningenieur und Berater und beschäftigt sich intensiv mit Themen wie Raumakustik, Systemdesign und Klangoptimierung in Großveranstaltungsstätten. Mit seiner klaren Haltung zu akustischer Qualität und praxisnaher Planung gilt er in der Branche als Stimme für präzisen, ehrlichen Live-Sound.

Livestream am Mittwoch, 29. Oktober 2025 um 15.00 Uhr

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