Gedanken zur Prolight + Sound

Die Prolight + Sound 2023 ist zu Ende. In der mothergrid-Messenachlese ist das Fazit durchweg positiv, trotzdem mache ich mir nach wie vor Gedanken um die Zukunft der einstigen Leitmesse der Veranstaltungstechnik. Aber warum eigentlich?

Kommentar von Markus Wilmsmann

Ich würde gern ein wenig weiter ausholen und schonungslos offenbaren: Als ich 2007 frisch von der Uni Leipzig in die Veranstaltungsbranche kam (vom vorherigen Kistenschieben mal abgesehen), da war ich ein ganz schönes Einhorn.

Ich wunderte mich, wieso in dem Verlag, der mir den Einstieg in diese wunderbare Welt ermöglichte, die Prioritäten scheinbar so falsch gesetzt wurden: Die Redaktionen waren in Großraumbüros untergebracht, während die Anzeigenverkäufer und -verkäuferinnen sämtlich in eigenen Büros residierten. Das nur als Beispiel, um meine Naivität beschreiben, die sich zum Glück nach wenigen Wochen verflüchtigt hatte. Ich erkannte schnell: Die einen kosten Geld, die anderen holen es rein. Und ein Verlag ist schließlich keine Spendenbüchse.

Ich erkannte es schnell genug, um mich behaupten zu können. Und bin so der Branche bis heute erhalten geblieben, die Prolight 2023 war das 15. Mal, das ich die Via Mobile entlanggeglitten bin.

Die Prolight + Sound 2007 war für mich der Einstieg in diese Welt und deswegen habe ich zu dieser Veranstaltung bis heute ein durchaus emotionales Verhältnis. Das wird sicherlich Vielen ähnlich gehen. Aus Gründen habe ich die erste Messe größtenteils allein absolviert, ohne einen erfahrenen Kollegen, der mir den Einstieg erleichtern hätte können. Aber es hat auch so wunderbar funktioniert: Weil die Welt der Veranstaltungstechnik überquillt vor famosen Menschen. Die mich herzlich in ihre Runde aufgenommen haben.

Stände, Menschen, Sensationen

Beim ersten Mal blickte ich von dort hinunter auf die Agora, die einem Ameisenhaufen glich. Stände, Menschen, Sensationen: Das riesige weiße Zelt wirkte nur von außen dröge, drinnen ging jeden Abend die Post ab. Und zwar gewaltig. Und nicht nur da, das ganze Messegelände schien zu vibrieren. Und das, obwohl die richtig fetten Jahre auch da schon vorbei waren. Oder zumindest ihrem Ende entgegengingen, wie mir ältere Kollegen erzählt haben. Sie raunten mir ehrfürchtig den Namen Charly Hosenseidl ins Ohr.

Das Brimborium ging noch größtenteils auf das Konto der Musikmesse, aus der die Prolight etwas mehr als zehn Jahre zuvor hervorgegangen war, als sie 1995 erstmalig als eigene Veranstaltung durchgeführt wurde. Und das war natürlich eine tolle Sache: In etwa so, als wenn eine Messe für Tankstellentechnik und -zubehör gemeinsam mit einer Tuningmesse für Autofreaks stattfindet.

Und das ist jetzt natürlich alles etwas weit hergeholt, aber besonders in den letzten beiden Jahren rief der etwa zehnminütige Weg vom Messeeingang an der Festhalle bis zu den Hallen elf und zwölf eher Assoziationen an die Architektur mancher Filme von Stanley Kubrick wach. Ein Eindruck, den die brutalistische „Bahnpyramide“ in der direkten Nachbarschaft noch verstärkte.

Die Via Mobile – einst Hauptverkehrsader, heute Zubringer. © Messe Frankfurt / Jacquemin
Die Via Mobile – einst Hauptverkehrsader, heute Zubringer. © Messe Frankfurt / Jacquemin

Das unbekümmerte Sorgenkind aus dem Erdgeschoß

Wer dann in den letzten beiden als erstes die Audio-Halle 11 betrat und nur eine Handvoll Aussteller vorfand, die nach der Pamndemie zurückgekehrt waren: Dieser erste Eindruck bleibt natürlich irgendwo im Unterbewußtsein hängen.

Auch wenn die Ausstellenden in Halle 11 sowohl dieses wie letztes Jahr ein positives Fazit zogen. Auch wenn die Ausstellung von Vintage Concert Audio (VCA) natürlich famos ist. Auch wenn auf der Bühne von ISDV und VCA ein durchdachtes Programm geboten wurde, das die richtigen Schwerpunkte auf die drängendsten Themen der Branche richtet.

Und trotzdem: Auch 2023 waren Austellerinnen und Aussteller wieder zufrieden, die Statements der mothergrid-Messenachlese sprechen für sich.

Tränen lügen nicht, Die Zahl unterm Strich auch nicht

Um noch einmal auf die Emotionen zu sprechen zu kommen: Die sind natürlich absolut wichtig in einer Branche, die im Prinzip davon lebt, sie hervorzurufen. Und da könnte schon der erste Knackpunkt liegen, wieso ich mir nach wie vor Gedanken mache, wie es wohl mit der Prolight + Sound weitergeht: Weil die Gefühle vielleicht etwas unterschätzt werden.

Das Phänomen Messe Frankfurt: Der flächenmäßig drittgrößte Messeplatz der Welt, die Messe Frankfurt selbst ist laut Wikipedia mit ihren zahllosen internationalen Aktivitäten der größe Messe-, Kongress- und Eventveranstalter der Welt mit eigenem Gelände.

Alles sehr beeindruckend. Doch hier sind wir wieder bei den Emotionen, die ein gewinngetriebener Großkonzern sicherlich bei allem Marketingsprech anders gewichtet als eine Branche, die direkt von ihnen lebt und eine davon auch ganz besonders auslebt: Die Leidenschaft.

Dieser Branche gegenüber steht nun also dieser halbkommunale Koloss mit ziemlich viel Beamtenflair, der viel zu groß ist, um sich allzuviele Emotionen leisten zu können. (An dieser Stelle Grüße an den Torwächter, der mir entgegen seiner Anweisungen direkt hinter meinem Hotel Zutritt zum Gelände gewährte und mir so 10 Minuten Zeit schenkte).

Tränen lügen nicht, aber die Zahl unterm Strich auch nicht. Andererseits dürfte die Entscheidung der Austellenden pro oder contra einer Teilnahme an der Messe in 2024 durchaus auch emotional geprägt sein.

Das Fazit: Nach wie vor positiv

Und, ich wiederhole mich an dieser Stelle: Auch 2023 waren Austellerinnen und Aussteller wieder zufrieden, die Statements der mothergrid-Messenachlese sprechen für sich. Doch auch das ist mit Vorsicht zu genießen: Mancher Aussteller, der sich noch 2019 zufrieden äußerte, war bei der ersten Prolight nach der Pandemie im Jahr 2022 plötzlich nicht mehr dabei.

Aber die Messe sollte zuhören, was sie natürlich tut: Die direkt für die Prolight + Sound verantwortlichen Menschen sicherlich. Und vieles hören sie sicherlich jedes Jahr und aus vielen Mündern. Warum vieles davon nicht umgesetzt wird, darüber kann nur spekuliert werden und das soll hier nicht passieren.

Was das Team der Prolight + Sound aber hoffentlich gehört hat: Die Reaktionen der Branche auf den Umstand, dass es Veranstaltungen außerhalb der Messe gab, die im Fahrwasser der Messe surften und von der Anwesenheit jeder Menge potentieller Kundschaft in Frankfurt profitierten. Ohne die Ausgaben natürlich, die eine reguläre Teilnahme an der Messe mit sich gebracht hätte. Die Reaktionen zeigen, dass es anscheinend noch so etwas wie Solidarität gibt – ein unglaubliches Pfund, wie ich finde. Denn diese Solidarität hat durchaus das Zeug, alle mitzunehmen: Die Menschen, die die Messe veranstalten, die dort ausstellen und die sie am Ende besuchen.

Das muss ja nicht gleich heißen, das die Messe die Gastro-Preise auf dem Gelände von „Ihr-kommt-hier-alle-nicht-so-schnell-weg-und-das-wissen-wir-genau“-Niveau in für alle Seiten zufriedenstellende Bereiche gesenkt werden. Schließlich ist das ein globales Phänomen an Tankstellen, auf Festivals und überall dort, wo Monopole blühen können wie Furunkeln. Und ich bin ja auch nicht mehr das naive Einhorn von vor 15 Jahren.

Aber der Punkt ist doch: Ausstellende wie Besuchende mögen „ihre“ Prolight + Sound, davon bin ich überzeugt. Deswegen hat sie bisher auch jeden Fauxpas überstanden. Sei es die kreative Teppichverlegung, die dieses Jahr ihr Revival erlebte und mich an das Jahr erinnerte, als viele Keyplayer aus dem Lichtbereicht in den ersten Stock einer Messehalle verfrachtet wurden, was damals noch etwas exotisch war und für einen riesigen kollektiven Aufschrei sorgte. Auch die abgeschaffte Ausstellerparty wird nach wie vor von einigen schmerzlich vermisst. Und sie ließe sich doch relativ problemlos wieder reaktivieren, oder nicht?

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Die Konkurrenz schläft nicht

Die Konkurrenz schläft natürlich nicht und kann auch zuhören: So gut sogar, dass man sich schon hin und wieder fragt, ob denn hier die Null unterm Strich schwarz ist oder jemals wird, bei soviel Leidenschaft und Hingabe.

Ich wünsche mir jedenfalls, das die Prolight + Sound weiterhin ihren festen Platz nicht nur in meinem Kalender hat, dass weiterhin bestehen bleibt, in welcher Form auch immer. Noch wird der Vorschlag, sie in eine solide regionale Messe zu wandeln, dankend abgewunken. Und offensichtlich mangelt es auch aktuelle noch nicht an Internationalität, wenn man vor allem den Austellerinnen und Ausstellern Glauben schenken darf.

Wobei ich diesem Gedanken durchaus einiges abgewinnen kann, der ich nicht auf internationale Kontakte schiele. Und auch aus Nachhaltigkeitsaspekten heraus ist es doch mehr als unnötig, dass Kundschaft aus der DACH- und BeNeLux-Region in den Süden jetten muss, um sich mit Herstellern genau aus dieser Ecke zu treffen, oder wiehert hier das naive Einhorn?

Und was soll das jetzt hier?

Was soll dieser Text jetzt eigentlich? Die Aussteller sind zufrieden, die Zahlen der Messe Frankfurt loben die Veranstaltung auch über den grünen Klee und eine wirkliche brauchbare Alternative in derselben Gewichtsklasse ist nicht in Sicht. Außer mit Flugreise in den Süden und jeder Menge anderer Argumente dafür und dagegen. Aber eher mehr dafür.

Ich denke, abwarten ist keine Option hinsichtlich der Prolight + Sound 2024: Im Audiobereich muss einiges passieren, um einen gewißen Vollständigkeitsanspruch zu erfüllen. Die wenigsten Menschen, die die Prolight + Sound besuchen, sind nur auf ein Gewerk fokusiert. Wie man verlorenene Austellende zurück- und neue hinzugewinnt, das ist Sache der Messe Frankfurt. Aber ich bin der Überzeugung, dass es an Tipps und Vorschlägen seitens der Teilnehmenden nicht mangelt.

Vielleicht ist dieser Text auch nur völlig übertrieben auf die Schwarzmaler und Meckerer angesprungen, die es immer gibt, die aber im Fall der Prolight den Effekt einer Self-Fulfilling-Prophey haben könnten? Vielleicht ist die Situation in Audio-Halle 11 auch so überschaubar, weil jahrelang alle immer nur von der „Prolight“ gesprochen und das „+ Sound“ weggelassen haben – die Macht der Worte sollte nicht unterschätzt werden.

Augenzwinkernd sagt danke für’s lesen: Markus Wilmsmann. Ich freue mich über eine rege Diskussion in den Kommentarspalten der sozialen Medien. Und bitte keine Rücksicht nehmen – der Algorithmus will gekitzelt werden, damit am Ende jede Menge Klicks rausspringen, die schließlich mein Gemüse sind.