Chinesischer Konzern übernimmt Traditionsfirma beyerdynamic

Die Heilbronner Audiotechnik-Firma beyerdynamic wird von einem chinesischen Investor übernommen. Käufer ist der Elektronikhersteller Cosonic, der rund 122 Millionen Euro für das Traditionsunternehmen zahlt.

Der Kaufvertrag mit Cosonic wurde am 5. Juni 2025 unterzeichnet; nun stehen noch behördliche Genehmigungen aus. beyerdynamic, bekannt für Kopfhörer und Mikrofone, gehört damit künftig zu einem chinesischen Konzern – ein Einschnitt in der fast hundertjährigen Firmengeschichte. Cosonic war bisher vor allem als Auftragsfertiger für Marken wie Philips, JBL oder Soundcore tätig. Mit der Übernahme erhält der Konzern nun eine eigene renommierte Audiomarke in seinem Portfolio.

Eigentümerwechsel und Hintergründe

beyerdynamic wurde 1924 gegründet und zählt weltweit etwa 375 Beschäftigte bei zuletzt 84,5 Millionen Euro Jahresumsatz (2024). Bislang befand sich die Firma in Familienbesitz und agierte eigenständig. Die Gesellschafter sahen sich jedoch zu dem Verkauf veranlasst, da künftige Investitionen mit der bisherigen Struktur nicht finanzierbar seien. „Die aktuelle Struktur reicht nicht aus, um zukünftige Investitionen zu stemmen“, begründete Geschäftsführer Andreas Rapp den Schritt. Nach Umsatzeinbrüchen in der Corona-Krise habe man Restrukturierungen einleiten müssen. Der vereinbarte Kaufpreis – etwa das 14-Fache des Nettogewinns von 2024 – zeuge aber davon, dass es sich nicht um einen Notverkauf handele, so Rapp. Vielmehr ermögliche der finanzstarke neue Eigentümer, die fast 100-jährige Firmengeschichte fortzuführen und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern.

Mit Abschluss der Transaktion übernimmt Cosonic im Wesentlichen alle Anteile der beyerdynamic GmbH & Co. KG. Die deutsche Traditionsmarke soll dennoch als eigenständiges Unternehmen weitergeführt werden. Das bisherige Management und die Geschäftsführung bleiben laut Rapp im Amt. Beide Seiten rechnen nicht mit größeren Hürden bei den ausstehenden Genehmigungen. Binnen drei bis fünf Monaten könnte die Übernahme vollständig abgeschlossen sein.

Strategische Ziele der Übernahme

Cosonic will mit dem Zukauf seine Position auf dem internationalen Audiomarkt stärken. Der bisherige Zulieferer plant, die Übernahme zu nutzen, um eine eigene Marke aufzubauen und die Präsenz in Europa und Nordamerika auszubauen. beyerdynamic verfügt über ein etabliertes Vertriebsnetz in Europa, den USA und Asien, das Cosonic für die globale Expansion einsetzen möchte. Zudem erhält Cosonic Zugang zu beyerdynamics Technik und Innovationskraft – etwa bei hochwertigen Studio-Kopfhörern (Tesla-Treibertechnologie) und drahtlosen Audiosystemen.

Für beyerdynamic wiederum bietet der Deal erhebliche finanzielle Vorteile. Der neue Eigentümer verschafft dem Unternehmen Zugang zu Kapital und Produktionskapazitäten, die für zukünftige Produktentwicklungen und Wachstum nötig sind. Rapp betonte, dass Cosonic die 100-jährige Geschichte von beyerdynamic nicht nur fortführen, sondern das Unternehmen „weiter voranbringen“ wolle, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Cosonic selbst kündigte an, die Stärke der Marke beyerdynamic gezielt nutzen zu wollen. Perspektivisch könnte beyerdynamic so seine Stellung als Premium-Anbieter ausbauen, während Cosonic vom Know-how und Ruf der Traditionsmarke profitiert. Branchenbeobachter sehen darin auch den Versuch von Cosonic, sich vom reinen Auftragsfertiger zum Endkunden-Markenanbieter zu wandeln.

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Auswirkungen auf Standort und Mitarbeiter

Die Übernahme stößt in der Belegschaft zunächst auf Verunsicherung. In Heilbronn (Firmensitz) und im nahegelegenen Talheim sind zusammen rund 360 Mitarbeitende beschäftigt. Diese wurden Anfang Juni über den geplanten Eigentümerwechsel informiert. Gewerkschaftsvertreter berichten von Sorgen, der neue Eigentümer könnte Produktion und Know-how langfristig nach China verlagern. Der Betriebsratsvorsitzende Johann Albach kritisierte, das Gremium sei erst kurz vor der offiziellen Mitarbeiterinformation über den Verkauf unterrichtet worden.

Die Geschäftsführung bemüht sich, die Ängste zu zerstreuen. Laut Andreas Rapp bleiben alle Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen gültig, und es werde sich für die Beschäftigten nichts ändern. Cosonic habe „besonderes Interesse am Standort Heilbronn“ und wolle Entwicklung, Produktion und Logistik in Deutschland erhalten. beyerdynamic-Produkte sollen weiterhin das Qualitätssiegel „Handmade in Heilbronn“ tragen dürfen. Auch die Marke beyerdynamic selbst bleibt bestehen und soll als Teil der Cosonic-Gruppe eigenständig weitergeführt werden. „beyerdynamic wird auch in Zukunft als unabhängiges Unternehmen agieren“, versicherte Rapp in einem Interview.

Trotz dieser Zusagen fordern Arbeitnehmervertreter nun greifbare Garantien. „Wir wollen ein klares Bekenntnis zu Heilbronn und Talheim“, mahnt IG-Metall-Sekretär Niklas Anner. Die Gewerkschaft drängt auf schriftliche Vereinbarungen, die den Erhalt der deutschen Standorte und Jobs langfristig absichern. In einer für Donnerstag einberufenen Belegschaftsversammlung in Heilbronn sollten offene Fragen geklärt und weitere Details zur Integration in den Cosonic-Konzern besprochen werden.

Reaktionen und Ausblick

Wirtschaftlich wird der Deal als wegweisend, aber auch als sensibel betrachtet. Politiker haben sich zur beyerdynamic-Übernahme bislang nicht öffentlich geäußert, da das Unternehmen nicht als sicherheitskritisch gilt. Branchenkenner sehen jedoch einen weiteren Traditionsbetrieb in ausländischer Hand und beobachten gespannt, wie sich die neuen Eigentumsverhältnisse auswirken. Der Kauf reiht sich in eine Reihe chinesischer Investitionen in deutsche Mittelstands- und Tech-Unternehmen ein, was die Aufmerksamkeit von Marktanalysten und Wettbewerbern auf sich zieht.

beyerdynamic selbst blickt vorsichtig optimistisch nach vorn. Der neue Besitzer Cosonic verspricht Investitionen und Marktzugang, während die bisherige Strategie und Belegschaft unverändert bleiben sollen. Die Verantwortlichen erwarten keine größeren Auflagen durch Behörden, so dass der Eigentümerwechsel nach Prüfung durch die chinesischen Stellen in wenigen Monaten abgeschlossen sein dürfte. Damit würde eine Ära enden: Erstmals seit über 90 Jahren stünde beyerdynamic, das sich seit Anbeginn des Unternehmens in Familienbesitz befindet, nicht mehr unter deutscher Führung. Ob der Spagat gelingt – die Traditionsmarke zu bewahren und gleichzeitig von Cosonics globaler Reichweite zu profitieren – wird die Zukunft zeigen.