Reportage von einem Konzert der besonderen Art.
Wenn der Förderkorb mit acht Metern pro Sekunde in die Tiefe rauscht, wird es still. Nicht aus Angst – eher aus Ehrfurcht. 507 Meter unter der Erdoberfläche beginnt eine Reise, die mehr ist als nur der Weg zu einem Konzert. Es ist der Einstieg in eine Welt aus Salz, Licht und Klang.
In dieser Tiefe liegt das Erlebnisbergwerk Merkers – und in seiner gewaltigen „Kathedrale“, einem ehemaligen Großbunker mit beeindruckenden Ausmaßen, verwandelt sich die raue Industrieumgebung regelmäßig in eine außergewöhnliche Event-Location. Diesmal geben sich die Söhne Mannheims die Ehre – begleitet von einer Crew, die so eingespielt ist wie der Fördermechanismus selbst.
Alte Gänge, neue Klänge
„Das ist ein Beispiel dafür, wie es laufen sollte – professionell, aber nicht verkrampft“, sagt Lichtdesigner Günter Jäckle, der seit Jahren mit der Band unterwegs ist. In der Tiefe blitzen seine Augen hinter der Brille auf, als er von der einmaligen Atmosphäre schwärmt: „Man fährt zwei Kilometer nach der Einfahrt noch weiter zur Bühne – das ist einfach beeindruckend. Und das wird auch heute wieder ein ganz besonderes Konzert.“
Besonders ist auch die Herausforderung, der Sound der Söhne Mannheims auch unter Tage adäquat unters Publikum zu mischen. Der Raum hallt – vor allem in den tiefen Frequenzen. Für Rouven Eller, Tonmann am Front-of-House und gleichzeitig für das Monitoring zuständig, bedeutet das: Feinarbeit. „Wir haben die Subs sehr eng gebündelt, um den langen Nachhall besser in den Griff zu bekommen. Es geht darum, den Bass dorthin zu lenken, wo er hingehört – in die Mitte.“
Eller beschreibt seine Aufgabe poetisch-präzise: „Ich bin Busfahrer der Emotionen. Ich versuche, das, was auf der Bühne passiert, zu übersetzen – dass es unten bei den Leuten ankommt.“ In einem Konzertsaal, der eher einer unterirdischen Kathedrale gleicht, ist das keine einfache Aufgabe. Doch mit Erfahrung und Technik – und einem klaren Ohr für die Dynamik der Band – gelingt es.

Zwischen Lasershow und Sicherheitseinweisung
Auch auf der Veranstalterseite läuft nichts ohne Erfahrung. Enrico Oswald von der Firma LEC ist seit über einem Jahrzehnt für die Konzerte im Bergwerk verantwortlich. „Die Logistik hier ist enorm“, erklärt er. „Wir bringen donnerstags alles unter Tage, bauen freitags auf, damit Samstag früh der Soundcheck stattfinden kann. Und nach dem Konzert geht’s gleich wieder retour.“
Während unter Tage Lasershows flackern und Moving Lights die salzverkrusteten Wände in Szene setzen, sind Sicherheitsvorgaben allgegenwärtig. „Wir haben eine Sondergenehmigung, aber es gibt klare Grenzen – maximal 1400 Menschen inklusive aller Beteiligten dürfen runter.“ Oswald nimmt diese Verantwortung ernst: „Deshalb gibt’s auch vor jeder Show eine Sicherheitseinweisung.“
Kein Raum für Allüren
Dass es trotzdem keine sterile Atmosphäre ist, liegt auch an den Menschen hinter den Kulissen. Reiner Leser, ehemaliger Bergwerksführer, begleitet als Rentner auf Minijob-Basis immer noch mit Leidenschaft die Veranstaltungen. „Niemand darf allein unter Tage“, sagt er mit der Ruhe eines Mannes, der seit 16 Jahren das System kennt. „Und alle müssen sich an die Spielregeln halten – sonst geht hier gar nichts.“
Jäckle, der seit Jahrzehnten Shows für Größen wie Udo Lindenberg oder Peter Maffay macht, schätzt genau das: „Hier gibt’s keine Korinthenkacker. Die vom Bergwerk sind Profis – aber offen und lösungsorientiert. Das ist nicht selbstverständlich.“
Die Technik fordert ihn trotzdem heraus: Unterschiedliche Lichtpulte, ständig neue Setups, unterschiedliche Modusversionen der Geräte – das alles verlangt Flexibilität und Durchhaltevermögen. „Man muss fit bleiben – nicht nur körperlich, sondern im Kopf“, sagt er. „Und das hier hält dich auf Trab.“

Musik, die durch den Fels geht
Als später die ersten Töne erklingen und sich Laserstrahlen durch die salzigen Schwaden schneiden, wird spürbar, was alle vorher beschrieben haben: Ein Konzert unter Tage ist mehr als eine Show. Es ist ein Erlebnis, das tief geht – im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Söhne Mannheims liefern ab. Und der Sound? Klar. Warm. Präzise. Als wäre der Fels selbst Teil des PA-Systems.
Am Ende sind es Kontraste, die diesen Abend unvergesslich machen: Schwerindustrie trifft auf feinjustierte Lichtkunst. Dunkelheit auf Klang. Jahrhunderte alte Bergbautradition auf moderne Konzerttechnik.
Und irgendwo dazwischen – Menschen wie Günter Jäckle, Rouven Eller, Reiner Leser und Enrico Oswald, die gemeinsam möglich machen, was kaum jemand je vergisst.
Glück auf. Und bis zur nächsten Schicht.
Links: