Die neue L-Serie von L-Acoustics: Nachgefragt bei Germain Simon, Director of Product Management

Am 17. April 2023 hat L-Acoustics in der legendären Hollywood Bowl in Los Angeles die neue L-Serie mit der patentierten Progressive Ultra-Dense Line Source (PULS) Technologie vorgestellt. Wir haben uns mit Germain Simon (Director of Product Management) unterhalten und ein paar Fragen zu dem System gestellt – und auch ein Pilot-Tester des neuen Systems kommen in diesem Artikel zu Wort:

Die neue L-Serie ist laut L-Acoustics „the next big thing“ der Großbeschallung. Sie soll bei 40% weniger Gewicht die gleiche Leistung wie vier K2-Module bieten. Panflex, fixe Winkelung mit einem ARF von nahezu 100 und progressiver Öffnungswinkel inklusive. Ebenfalls Teil des neuen Systems sind nicht nur die L2- und L2D-Lautsprecher, sondern auch die Clamp1000 und der System-Amp LA7.16, der die Speaker mit 16 Kanälen pro Modul anfährt. Da kamen natürlich einige Fragen auf, die wir Germain Simon von L-Acoustics stellten:

mothergrid: In der Keynote war vom Active Radiating Factor (ARF) die Sprache. Kannst du mir diesen Faktor etwas genauer erläutern? Was spielt hier eine Rolle?

Germain Simon: Die Grundlage einer Linienquelle beruht auf drei Hauptdesignkriterien, die 1992 in einem AES-Whitepaper von Christian Heil festgehalten wurden. Der Active Radiation Factor ist eines davon. Er definiert, wie nahe die Schallwandler in einem Lautsprecher und in einem Array von Lautsprechern beieinander liegen sollten, um eine angemessene Kontrolle der mittleren und hohen Frequenzen zu gewährleisten und eine kohärente und effiziente Wellenfront zu erzeugen.

Wissenschaftlich ausgedrückt, ist die ARF das Ergebnis der Summe der einzelnen Abstrahlflächen über den gesamten vertikalen Rahmen. In dem AES-Whitepaper zeigte Christian Heil, dass dieser Faktor mehr als 80 % betragen muss, um das Verhalten einer Linienquelle zu beherrschen. Je kleiner der Lautsprecher ist, desto schwieriger ist das natürlich. Die Größe eines Lautsprechers wird normalerweise durch die Größe des NF-Teils definiert. Und da das Holzgehäuse, der Luftspalt und die Aufhängungstoleranzen eine feste Fläche sind, nimmt bei kleineren Lautsprechern das Verhältnis des nicht abstrahlenden Teils zu. Die Kiva II hat zum Beispiel einen ARF von knapp über 80 %, während er beim K1 eher 90 % beträgt.

Bei L2 haben wir mehrere Elemente zu einem zusammengefasst, um die abstrahlende Fläche und damit den ARF zu maximieren. Wir erhalten einen ARF von nahezu 100 % für ein einziges Element.

mothergrid: Worin liegen die Vorteile dieser Herangehensweise?

Wir haben die Kontrolle der Energie in den Mitten und Höhen stark verbessert. Dies führt zu einer viel gleichmäßigeren tonalen Balance über den gesamten Publikumsbereich, von vorne bis hinten: Es klingt überall gleich. Die Kontrolle des Klangs in der vertikalen Ebene bedeutet auch, dass wir die Energie, die oberhalb und unterhalb des Arrays (traditionell in Richtung Decke und Bühne) gesendet wird, reduzieren können, was wiederum die Rückkopplungsneigung minimiert und dazu beiträgt, die Raumanregung niedriger zu halten.

L-Acoustics L-Serie Speaker
Die L-Serie besteht aus zwei verschiedenen Lautsprechern: L2 und L2D. Foto: © L-Acoustics
Die Elemente der L-Serie

Die L-Serie besteht aus zwei Elementen, die zusammen oder einzeln eingesetzt werden können: L2 oben und L2D unten. Ein L2- oder L2D-Element bietet die gleiche Kontur wie vier K2-Elemente in einem Format, das 46 % kleiner und 40 % leichter ist.

Jedes Element enthält acht Drei-Zoll-Hochtöner sowie acht Zehn-Zoll-Tieftönern, die durch vier seitlich geladene 12-Zoll-Treiber mit vorderen und hinteren Ausgängen ergänzt werden, um eine effiziente, hochpräzise Breitbandabdeckung mit einer Auswahl von Nieren- oder Supernierencharakteristiken zu liefern.

Habe ich das richtig verstanden, dass die 12-Zoll-Treiber „nur“ für die Richtcharakteristik zuständig sind? Und wie wird die umschaltbare Richtcharakteristik erreicht? Geschieht das durch Laufzeiten?

Germain Simon: Die 12-Zoll-Schallwandler sind nicht nur für die Richtcharakteristik verantwortlich, sondern auch für die Tieftonwiedergabe des Systems an die Zuhörer. Einerseits interagieren die 12-Zoll-Schallwandler, die an der Seite des Lautsprechers montiert sind, mit den 10-Zoll-Treibern, die an der Vorderseite des Lautsprechers montiert sind, um die Energie in der horizontalen Ebene zu kontrollieren. Sie wurden so optimiert, dass sie zwei Nierencharakteristiken bieten: Niere und Superniere.

Bei herkömmlichen Konstruktionen erzwingt diese Lautsprecheranordnung jedoch einen Kompromiss zwischen der Effizienz der Schalldämpfung auf der Rückseite und der Effizienz des Ansprechens auf der Vorderseite. Bei L2 und L2D strahlen die 12-Zoll-Schallwandler nicht von der Seite, sondern von vorne und von hinten aus dem Gehäuse. Dies hat zwei Hauptvorteile: Es summiert sich kohärent mit den 10-Zoll-Treibern, um den LF-Anteil und die Kontur des Systems zu erhöhen (manche nennen dies Musikalität des Systems); und es hebt die breitbandige Energie über einen großen Bereich an der Rückseite des Lautsprechers auf.

Nicht während der Show ausprobieren!

Benutzende können zwischen den beiden Richtcharakteristiken umschalten, indem die Nieren- oder Supernieren-Voreinstellungen in L2 gealden wird. Dies geschieht im LA Network Manager und erfordert keine Neuausrichtung des Lautsprechers mit dem Rest des Beschallungssystems. Wir empfehlen natürlich nicht, dies während der Show zu tun, aber es ist einfach genug, um die beiden Möglichkeiten zu vergleichen und zu entscheiden, welche für ein bestimmtes Szenario am besten geeignet ist.

Die L-Serie ist außerdem mit der L-Acoustics Panflex-Technologie ausgestattet, die Sounddesignern einen schnellen Zugriff auf eine Auswahl von vier horizontalen Richtcharakteristiken ermöglicht: 70° oder 110° symmetrisch, oder 90° asymmetrisch auf beiden Seiten. Jedes L2-Element enthält vier Panflex-Module, während L2D zwei Panflex-Module auf den oberen Elementen und zwei feste L-Fins, die von 110° bis 140° reichen, auf den unteren Elementen enthält.

mothergrid: Würdest du soweit gehen, dass der progressive Öffnungswinkel von bis zu 140 Grad Nearfills überflüssig macht?

Germain Simon: Die 140 Grad am unteren Ende der Linie tragen sicherlich dazu bei, einen größeren Publikumsbereich abzudecken und die Energie auf natürliche Weise zu verringern, wenn sich das Publikum dem Array nähert. Bei mittleren bis großen Veranstaltungen, bei denen das System hoch geflogen wird, würden wir jedoch immer noch die Verwendung von Near-Fills empfehlen, um das akustische Bild auf Bühnenniveau abzusenken.

Helene Fischer
Auf der „Rausch“-Tour von Helene Fischer kommt bereits ein L-Serie Setup zum Einsatz. Foto: © Thomans Holz / L-Acoustics

Es war schon immer unser Ziel, eine Verbindung zu schaffen zwischen dem, was das Publikum sieht, und dem, was es hört. Wenn sie die Stimme des Sängers von oben hören, während er/sie direkt vor ihnen steht, ist das nicht natürlich. Es gibt keine echte Verbindung. Das Tolle an der L-Serie ist, dass die Abdeckung des untersten Teils des Systems dank des Autofilter-Algorithmus so angepasst werden kann, dass sie nahtlos in das Near-Fill-System übergeht.

In einem bestimmten Szenario könnte das System niedrig genug geflogen werden oder das Publikum könnte weit genug von der Bühne entfernt sein, so dass der Einsatz von Near-Fills tatsächlich drastisch reduziert wird. Das wird aber aber nur selten der Fall sein.

Exkurs: Konsistenz der L-Serie bei den BRIT Awards

Josh Lloyd, Britannia Row Head of Engineering and Special Projects, leitete das Team der BRIT Awards vom Design bis zur Auslieferung, während er weiterhin als FOH-Techniker für die Musik der BRIT Awards tätig ist. „Die L-Serie war wirklich beeindruckend in Bezug auf ihre Abdeckungskonsistenz, es war fast unmöglich, einen Übergang zwischen den Elementen des Arrays zu hören“, kommentierte er. „Die tonale Konsistenz war unglaublich; jeder Zuhörer hatte das gleiche Klangerlebnis. Das Nierenverhalten der Box bedeutete, dass es schwierig war, zu erkennen, ob das System überhaupt lief, sobald man sich aus der Abdeckungszone herausbewegte!“

„Bei den BRITs, wo wir Moderatoren, Dankesreden und eine Vielzahl von musikalischen Darbietungen wiedergeben müssen, war das Gain before Feedback kein Problem. Das Sendeteam erhielt Inputs, die aufgrund der Off-Axis-Performance nicht vom Live-Sound „verfärbt“ waren. Die L-Serie klang unglaublich musikalisch und lieferte eine Leistung und einen Punch, der angesichts ihrer Größe nicht möglich schien.“

LA7.16 Amp
L-Acoustics LA7.16: Der Systemamp zur L-Serie. Foto: © L-Acoustics
Touring-Verstärker LA7.16

Die L-Serie wird von dem neuen Touring-Verstärker LA7.16 angetrieben, der L2 und L2D mit 16 Kanälen für Hochleistungs-Verstärkung und Verarbeitung unterstützt. Der LA7.16 wird in einem neuen LA-RAK III Touring-Rack geliefert, das 48 Verstärkerkanäle in einem Milan AVB-kompatiblen Gehäuse mit einer Leistung von mehr als 60.000 Watt in 9 HE bietet. Mit der Verstärkung der LA7.16 und den Autosolver-Tools kann der Output der L-Serie nahezu perfekt moduliert werden, um Ergebnisse zu erzielen, die mit herkömmlicher Line-Array-Technologie unmöglich sind.

Systemverkabelung

mothergrid: Es sind ja die 32-poligen Systemkabel notwendig… Was wiegen diese Kabel denn? Zweite Frage: Das System ist ja offensichtlich sehr Leistungsstark – da kommen mir 1.5mm² etwas dünn vor – Warum habt ihr euch dafür entschieden?

Germain Simon: Wir nennen diese Kabelserie SC32, für 32-polig. In diesen Kabeln sind 32 Leiter mit je 1.5m² Querschnitt. Das Gewicht dieses Kabels beträgt 0,834 kg/m, also ziemlich in der Nähe der DO-Kabel, die wir seit vielen Jahren verwenden. Dies ist auf den feineren Querschnitt der Leiter zurückzuführen. Und du wirst überrascht sein, wie flexibel das Kabel trotz seiner hohen Aderdichte ist!

L-Acoustics SC-32
Dank 8 Ohm Load reichen 1.5mm² Leiterquerschnitt. Foto: © L-Acoustics

Wir achten sehr auf Kabellängen, wie du in unseren Empfehlungen auf der Website oder in der Dokumentation sehen kannst. Bei der neuen L-Serie haben wir das nicht geändert. Wir können kleinere Kabelquerschnitte verwenden, da lautsprecherseitig alle Adernpaare an eine 8-Ohm-Last angeschlossen sind.

Bei unseren DO- oder SP-Kabeln mit 4 mm²-Leitern ist es sehr häufig der Fall, dass Lautsprecher parallel geschaltet werden, wodurch die Last auf 4 oder sogar 2,7 Ohm gesenkt wird. Mit einer geringeren Impedanz am Ende des Kabels gehen mehr Verluste einher, insbesondere bei hohen Frequenzen. Mit einem SC32-Kabel, das an eine 8-Ohm-Last angeschlossen ist, erhält man die gleichen Ergebnisse wie mit einem DO-Kabel gleicher Länge, das an ein K1- oder K2-System angeschlossen ist.

Clamp1000: Geriggtes System drehbar

CLAMP1000
Dank der Clamp 1000 lassen sich bereits gehängte Systeme drehen. Hier im Bild die Ausführung „Dual Point Load“ Foto: © L-Acoustics
Clamp1000

Mit der L-Serie führt L-Acoustics auch die neue Clamp1000 ein, die bis zu vier L2/L2D tragen kann. Sie kann auch mit Kara II, K3 oder K2 verwendet werden und unterstützt bis zu 16 K2. Mit der Clamp1000 können die Benutzer:innen ein geflogenes Line-Array vom Boden aus drehen, was die Aufbauzeit und die Anzahl der benötigten Motoren drastisch reduziert.

mothergrid: Ist die Clamp1000 motorisiert, oder wie wird das Array vom Boden aus gedreht?

Germain Simon: Die Clamp1000 wird manuell betätigt. Das Array kann gedreht werden, während es in der Luft hängt, dank eines Riegels, der aus der Ferne aktiviert werden kann. Wir sind sehr stolz auf diese Mechanik. Sie erleichtert und beschleunigt die Einrichtung von Arrays und reduziert die Anzahl der Motoren, die für den richtigen Azimutwinkel eingesetzt werden müssen. Wenn du z. B. an eine L-ISA-Konfiguration denkst, bei der 4 oder 6 Arrays mit dem richtigen Azimutwinkel geschwenkt werden müssen, wird die Clamp1000 dies mit drei oder vier Motoren und einer bzw. zwei Traversen ermöglichen, anstatt mit 3 Motoren oder zwei kleineren Traversen pro Array!

Exkurs: Ausgiebige Pilotphase

Im Januar dieses Jahres begann L-Acoustics eine umfassende Pilotphase der L-Serie mit den Partnern Britannia Row und Solotech. Zwischen April und Oktober wird das Pilotprogramm schrittweise sechs führende zertifizierte Partner rund um den Globus umfassen: PRG und Solotech in Nord-, Mittel- und Südamerika, Britannia Row/Clair Global und Novelty Group in EMEA sowie Tokyo Sanko und Winly in APAC werden nach Abschluss der Pilotphase im Oktober 2023 die neue Technologie bei verschiedenen Live-Events einsetzen. Darüber hinaus hat L-Acoustics L2 und L2D beim Coachella Music and Arts Festival und Stagecoach in Kalifornien mit Unterstützung von RAT Sound und AEG Presents eingesetzt.

„Wir hatten das Privileg, im vergangenen Februar bei den BRIT Awards 2023 als weltweit erste die L Series einzusetzen. Der Prozess war nahtlos, von der anfänglichen Schulung über die Vorbereitung des Lagers bis hin zum Einsatz des Systems in der O2 Arena“, sagte Lez Dwight, Direktor von Britannia Row Productions.

„L-Acoustics ist ein langjähriger Partner, und wir sind sehr stolz darauf, das erste Unternehmen zu sein, das die L-Serie auf einer Tournee mit Helene Fischer einsetzt, für die wir Audio, Licht und Video liefern“, sagt John Probyn, Head of Business Development, Live Productions Division, Europe, Solotech.

mothergrid: Der Pilotphase bzw. den bisherigen Einsätzen der L-Serie entnehme ich, dass es sich um ein Großbeschallungssystem handelt – wo würdet ihr denn „das untere Ende“ bezüglich der Veranstaltungsgröße sehen?

Germain Simon: Typische Veranstaltungsgrößen für ein L2-System reichen von 1.200 bis 12.000 Personen für den Stereo-Einsatz und 2.500 bis 25.000 Personen für den L-ISA-Einsatz. Bei kleineren Gigs wird ein einzelner L2D als Hauptsystem verwendet, während bei den größten Gigs eine Kombination aus 3 L2 und 1 L2D für ein Array des Hauptsystems eingesetzt wird. Außerhalb dieser Bereiche bleibt die K-Serie (oder sogar die A-Serie) das Produkt der Wahl!

Weitere Informationen zu den Komponenten der L-Serie: www.l-acoustics.com

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